Steht im Fokus der Justiz: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Beschuldigten, wie dem STANDARD bestätigt wurde. Der Vorwurf lautet Amtsmissbrauch, es gilt die Unschuldsvermutung. Anlass ist eine Postenbesetzung bei der Wiener Polizei im Jahr 2017, Sobotka war damals Innenminister – der STANDARD berichtete über die Causa.

Mit der Bewerberin schien die ÖVP damals nicht zufrieden gewesen zu sein, Chats zeigen, wie wochenlang nach Gegenkandidaten gesucht wurde. Letzten Endes bekam Andrea Jelinek, Leiterin der Datenschutzkommission, den Job des Vizepräsidenten bei der Landespolizeidirektion Wien nicht. Zwar habe der damalige Kabinettschef von Sobotka, Michael Kloibmüller, darüber nachgedacht, für Jelinek die Erfüllung anderer Wünsche beim Wiener Bürgermeister einzufordern. "Aber wie ich gesehen habe, dass wir unseren Mann durchbringen, dachte ich, den Sozen zu zeigen, wo der Hammer hängt."

Jelinek sagte dem STANDARD damals, sie habe von Interventionen nichts mitbekommen. Sie habe sich auf normalem Wege beworben und "nie ein Parteibuch (gehabt), von keiner Partei". Jelinek betonte allerdings, dass sie dem ÖVP-Umfeld nie zurechenbar gewesen sei, sondern eher der anderen "Reichshälfte", aber "wo auch immer".

Sobotka sagte der "Kronen Zeitung", auf deren Bericht auch sein Büro verwies, dass man ihn als Vorsitzenden des U-Ausschusses einmal mehr diskreditieren wolle. "Es ist leider ein Zeichen unserer Zeit, dass der politische Diskurs zunehmend mit juristischen Mitteln geführt wird", befand der Nationalratspräsident. "Ich stehe jederzeit für eine Einvernahme zur Verfügung, um das so schnell wie möglich aufzuklären. Als Innenminister habe ich mich stets auf die Expertise der Bestellungskommission verlassen, das wird sicher auch ganz klar aus diesem Bestellungsakt hervorgehen."

Der verhängnisvolle Bootsausflug

Die Staatsanwaltschaft dürfte nun um eine Auslieferung Sobotkas im Nationalrat ansuchen. Da er zum Tatzeitpunkt Minister und kein Abgeordneter war, dürfte eine solche sehr wahrscheinlich sein. Die Staatsanwaltschaft könnte dann ohne viel Verzögerung weiter ermitteln.

Die Chats, um die es geht, stammen vom Handy Kloibmüllers. Nachdem dieses bei einem Kabinettsausflug im Jahr 2017 im Wasser gelandet war, übergab es ein Referent zur Reparatur an einen IT-Experten im Verfassungsschutz. Der soll laut Staatsanwaltschaft Wien eine Kopie des Smartphone-Inhalts angefertigt und diese verbreitet haben, es gilt auch hier die Unschuldsvermutung. Die gesammelten Nachrichten erreichten unter anderem Ex-Politiker Peter Pilz, der die Chats der WKStA übergab.

Sobotka führt derzeit den Vorsitz im ÖVP-Untersuchungsausschuss – obwohl es breite Kritik daran gab, dass er dies nicht mit der notwendigen Unabhängigkeit tun könne. Am Dienstag leitete er die Sitzung nur für wenige Minuten, dann ließ er sich vertreten. Die Ermittlungen dürften der Grund dafür gewesen sein. (30.3.2022, Renate Graber, Lara Hagen, Jan Michael Marchart, Fabian Schmid)