17 Goldstücke sind es, die aus Rahim einen Helden machen – auf seltsame Art und Weise.

Foto: Filmladen Filmverleih

Im Iran ist Inflation schon lange ein alltägliches Phänomen. Wenn ein Mann wegen einer Millionenschuld ins Gefängnis muss, dann geht es dabei meist um Summen, die in Europa kein allzu großes Problem wären.

So ist es auch bei Rahim in dem Film A Hero von Asghar Farhadi. Er geht mit 17 Goldmünzen zu einem Juwelier. Wenige Tage zuvor waren diese noch 70 Millionen Toman wert, nun sind es nur noch 50 Millionen.

Filmladen Filmverleih

"Der Goldpreis ändert sich stündlich", sagt der Händler zu ihm achselzuckend, auch wenn er begreift, dass für den jungen Mann alles davon abhängt, dass er einen guten Preis erzielt. Umgerechnet geht es um knapp 1500 Euro.

Rahim hat gerade zwei Tage Ausgang bekommen, um seine Angelegenheiten zu regeln, um mit seinem Gläubiger zu verhandeln, um die Goldmünzen gegen Bargeld einzutauschen. Eine junge Frau ist ihm behilflich, er darf sich aber mit ihr nicht zeigen, denn sie ist (noch) nicht seine Ehefrau.

Kompliziert wird die Sache zudem dadurch, dass der Gläubiger ein Verwandter der ersten Frau Rahims ist. Dieser Bahram ist also sowieso schon einmal schlecht auf ihn zu sprechen, in einer Gesellschaft, in der alle Angelegenheiten von Frauen durch Männer sanktioniert werden müssen.

Glücklicher Fund

Eine gescheiterte Ehe, ein geplatzter Kredit, das ist es, was Rahim bisher in seinem Leben vorzuweisen hat. Ein Held, wie es der Titel des Films verspricht, wird er durch eine überraschende Handlung. Rahim beginnt sich nämlich zu erkundigen, ob jemand eine Tasche mit 17 Goldmünzen vermisst. Der kleine Schatz gehörte ihm gar nicht, wie sich erweist: Es war ein glücklicher Fund, und es meldet sich tatsächlich eine Frau, die Anspruch auf die Münzen hat.

Für Rahim schließt sich in diesem Moment eine Tür, aber es öffnet sich eine andere. Er wird nun im Fernsehen für seinen Anstand gefeiert. Er hätte allen Grund gehabt, den Fund für sich zu behalten, nun schenken ihm die Menschen Geld dafür, dass er der Versuchung standgehalten hat. Vielleicht war es sogar eine Prüfung Gottes.

Versierter Erzähler

A Hero könnte sich nach 45 Minuten in allgemeines Wohlgefallen auflösen. Doch Asghar Farhadi ist einer der versiertesten Erzähler im derzeitigen Weltkino. Und wer seinen Film Nader und Simin – Eine Trennung gesehen hat, für den er 2011 mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet wurde, wird bereits wissen, dass das, was in anderen Fällen einfach die Geschichte ist, bei ihm in der Regel nur die äußere Hülle einer ungleich komplexeren Angelegenheit ist.

Der österreichische Verleih hat versucht, mit dem Untertitel Die verlorene Ehre des Herrn Soltani eine Spur zu legen, die zu Heinrich Bölls Erzählung von dem Medienopfer Katharina Blum führt. Das trifft auch tatsächlich einen Aspekt, aber eben wiederum nur einen weiteren. Asghar Farhadi hingegen geht es um das Ganze.

Also um ein Bild von der gegenwärtigen iranischen Gesellschaft, das zugleich ein Panorama und detailliert ist und in dem für jedes Geschehen vielfache Implikationen mitzudenken sind.

Zum Beispiel: Wie kommt eine Frau zu 17 Goldmünzen, die sie ohne Wissen ihres Mannes zu verkaufen versucht?

Preis der Freiheit

In A Hero ist das ein Geheimnis im Inneren vieler Geheimnisse, ein geschlechterpolitisches Rätsel, das Nachforschungen mit sich bringt, aber nicht gelöst werden muss, denn es gibt auch noch die Institution Gefängnis, für die Farhadi sich interessiert, und vor allem die karitativen Verbände, die im Iran eine mächtige Branche sind.

Die Ansichten von Recht und Anstand wiederum werden auch in einer vorgeblichen Theokratie heute bevorzugt viral und auf Mobiltelefonen verhandelt.

So bringt Farhadi sehr gut das alltägliche Leben in einem Staat nahe, der sich als Gegenmodell zur westlichen Moderne versteht. Und zwar mit Mitteln, die ebendieser Moderne entstammen und im Iran keineswegs fremd sind. Der sanftmütige Rahim kann seine Ehre und sein reines Herz schließlich nur um den Preis seiner Freiheit verteidigen. Das ist dann auch als Allegorie für die allgemeine Situation im Iran unmittelbar einleuchtend. (Bert Rebhandl, 31.3.2022)