Diese Maßnahmen helfen nur kurzfristig und widersprechen völlig den angestrebten Klimazielen, sagen Susanne Forstner und Sebastian Koch, Senior Researcher am Institut für Höhere Studien, im Gastkommentar.

Die Belastung durch die gestiegenen Energiepreise und die aktuelle Diskussion um Entlastungsmaßnahmen haben eine rege Debatte über die Verteilung des Kuchens ausgelöst. Dabei ist nicht immer klar, wer unter den Mitstreitenden gelernt hat, lauthals die eigene Meinung kundzutun, und wer tatsächlich in eine Notsituation geraten ist. Die Jugend, die von Klimawandel und Schuldenlast potenziell am stärksten betroffen ist, sitzt offenbar nicht mit am Tisch.
In dieser Gemengelage fragen wir uns, was würde ein "wohlmeinender Diktator", der – man mag es in Zeiten wie diesen kaum glauben – in so manchen Textbüchern der Volkswirtschaftslehre als unabhängig von politischen Einflüssen und Partikularinteressen beschrieben wird und nur das Gemeinwohl im Blick hat, angesichts der Lage tun?
Im Modellstaat würde dieser fiktive, wohlmeinende Staatslenker wohl zunächst einmal die Grundprinzipien aufzeigen und entlang deren mögliche Handlungsoptionen abwägen. Er würde versuchen, im Notfall kurzfristig Hilfe zu leisten, ohne die langfristigen Ziele über Bord zu werfen. Übertragen auf das Problem vor uns, wäre das ein Ja zu: Haushalte vor Energiearmut schützen, Liquiditätsengpässe von Unternehmen überbrücken und insgesamt größeren Schaden von der Volkswirtschaft abwenden. Aber mit Maß und Ziel, also unter Berücksichtigung der Klimakrise, der Abhängigkeitsfalle bei fossilem Gas des so gar nicht wohlmeinenden russischen Staatslenkers und unter Beachtung des Grundsatzes der effizienten Verwendung öffentlicher Mittel.
Verkehrte Anreize
Nach diesen Grundsätzen wäre eine Senkung der Mineralölsteuer der falsche Weg. Kurzfristig mag es zwar auch den akut durch Energiearmut Gefährdeten helfen, aber das Instrument nimmt keine Rücksicht auf Klimaziele, da es den Preis in seiner Lenkungswirkung verkehrt, die Abhängigkeit von fossiler Energie und undemokratischen Staaten nährt und bei den diskutierten Laufzeiten budgetär keine Gießkanne, sondern vielmehr ein Rasensprenger ist, den man am liebsten nicht mehr abschalten möchte.
Aber auch eine Erhöhung der Pendlerpauschale wäre nicht der richtige Weg. Auch wenn sie aus bestimmten theoretischen Überlegungen zur Einkommensbesteuerung, etwa der Geltendmachung von Werbungskosten, rechtfertigbar wäre, wird die Pendlerpauschale in Hinblick auf klimapolitische Ziele und soziale Treffsicherheit von vielen Seiten als grundlegend reformbedürftig angesehen. Zwar profitieren grundsätzlich auch die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs von dem Instrument, es bevorzugt aber ungemein viel stärker die Pkw-Fahrenden. So hat sich zum Beispiel seit der letzten Festlegung der Höhe der Pendlerpauschale im Jahr 2011 beziehungsweise 2012 viel getan.
"Pkw-Fahrende wurden sieben Jahre lang deutlich begünstigt."
Während die Preisindizes zwischen 2011 und Mitte 2014 etwa auf gleichem Niveau lagen, haben sich die Preise für Kraftstoffe seit der Opec-Sitzung im November 2014 stark verbilligt. So ist der Liter Diesel von seinem Hoch im September 2012 von 1,44 Euro auf nur noch 94 Cent im Jänner 2016 gefallen. Nach einem kurzen Anstieg sank der Dieselpreis im Zuge der Pandemie im Mai 2020 wieder auf 98 Cent im Schnitt bei Österreichs Tankstellen.
Nur: Im Vergleich dazu stieg der Preisindex für die Tickets im Bahnverkehr seit 2011 kontinuierlich an. Das heißt, ausgehend von einem Niveau der Pendlerpauschale, das im Jahr 2011 gesetzt wurde, wurden Pkw-Fahrende sieben Jahre lang deutlich begünstigt. Kumulativ betrachtet dürfte das eine erhebliche Besserstellung des motorisierten Individualverkehrs darstellen.
Aufgrund der Energiepreisanstiege liegt der Preisindex für Kraftstoffe also jetzt zum ersten Mal seit Jahren wieder in dem Bereich des Preisindex für Schienenpersonenverkehre. Aus dieser längerfristigen Perspektive betrachtet, erscheint es nicht gerechtfertigt, nach breiten Unterstützungsmaßnahmen für Pkw-Nutzende zu rufen.
Klare Signale
Was sollte man also tun? Die Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen aufgrund höherer Treibstoffpreise könnten zum Beispiel dazu verwendet werden, Tickets des öffentlichen Verkehrs nochmals zu reduzieren. Und wenn der Staat die Haushalte vor Energiearmut schützen möchte, dann sollte er dies vielleicht dort tun, wo bereits ökologisch treffsicherer eingegriffen wird, wie etwa bei der motorbezogenen Versicherungssteuer, die Kilowatt und CO2-Ausstoß von Pkws berücksichtigt.
Maßnahmen zur Abfederung wirtschaftlicher Härtefälle in Krisenzeiten – insbesondere wenn es um Energiekosten geht – sollten eine klare ökologische Signatur tragen. Dadurch wird Haushalten und Unternehmen signalisiert, dass ihre Anstrengungen für klimaverträgliche Anpassungen bei der Ausgestaltung von Politikmaßnahmen berücksichtigt werden. So werden längerfristige Anreize für diese notwendigen Veränderungen aufrechterhalten. Darüber hinaus vermitteln politische Entscheidungstragende, dass sie es mit der Umsetzung klimapolitischer Ziele ernst meinen.
Eine Senkung der Mineralölsteuer auf Benzin oder eine Erhöhung der Pendlerpauschale würden genau das Gegenteil signalisieren, bis es zu spät ist und wir – bildlich gesprochen – ungebremst ins Stauende krachen. (Susanne Forstner, Sebastian Koch, 31.3.2022)