Alle Wege führen nach Ibiza – nicht nur, wenn es um Korruption in Österreich geht, sondern auch bei Julian Hessenthalers Strafprozess. Am Mittwoch musste das Schöffengericht entscheiden, ob der Regisseur des Ibiza-Videos mit Kokain gedealt hat. Hessenthaler wurde nicht rechtskräftig schuldig gesprochen – trotz zahlreicher Widersprüche der Hauptbelastungszeugen. Es ist allerdings fragwürdig, wie verhältnismäßig der Weg dahin war. Julian Hessenthaler hat zwar womöglich mit Drogen gedealt – aber er war eben kein ganz normaler Drogendealer. Diesem Umstand hat das Gericht am Mittwoch zu wenig Beachtung geschenkt.

Hessenthaler entlockte Heinz-Christian Strache vor laufender Kamera Korruptionsfantasien.
Foto: © Christian Fischer

Das Ibiza-Video, für das er mitverantwortlich war, löste 2019 jenen Dominoeffekt aus, an dessen Ende heute der U-Ausschuss rund um Vorwürfe gegen die ÖVP steht. Der Fall der FPÖ, das – noch nicht rechtskräftige – Urteil gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache wegen Bestechlichkeit. Die Ermittlungen gegen zahlreiche ÖVP-Mitglieder; der Rücktritt von Sebastian Kurz. All das und mehr geschah nur, weil Hessenthaler Strache einst Korruptionsfantasien vor laufender Kamera entlockte.

Das heißt nicht, dass ihn dieser Status als Aufdecker davon befreit, wegen strafrechtlicher Vorwürfe belangt zu werden. Allerdings würde ein fairer Prozess voraussetzen, dass das Vorgehen der Ermittlungsbehörden jenem bei einem ganz normalen Drogendealer entspricht. Dass das nicht der Fall war, zeigt allein schon das gigantische Ermittlungsteam, das hinter der Anklage steckt. 17 Beamte waren in der Soko Tape mit den Ermittlungen rund um die Hintergründe des Videos beschäftigt. Sie suchten akribisch nach Hessenthaler, hörten Telefone ab, observierten und durchsuchten private Wohnungen. Nur so fanden sie seine Kontakte ins Drogenmilieu. Dort bohrten sie weiter nach.

Skandale

Ihr Vorgehen war nicht vor Skandalen gefeit. Gleich einen Tag nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos outete sich einer von ihnen als Strache-Fan und wünschte sich in einer Nachricht an den Ex-Vizekanzler den "Rücktritt vom Rücktritt". Trotzdem wurde er für nicht befangen erklärt, später beharrte der Soko-Chef Andreas Holzer darauf, dass der besagte Beamte einer "seiner besten Ermittler" sei. Offen bleibt letztlich auch der Einfluss eines Blogbetreibers, der nachweislich mit der Novomatic zusammengearbeitet hat: Gert Schmidt.

Zur Erinnerung, im Ibiza-Video sagt Strache: "Novomatic zahlt alle." Anders als es der Richter bei der Urteilsverkündung darstellte, hat er sehr viel mit dem jetzigen Verfahren zu tun. Schmidt war mit den Behörden in Kontakt und ermittelte parallel selbst. Immer wieder postete er Artikel zu der Causa auf seiner Website.

Schmidt wollte den Hintermännern des Ibiza-Videos, darunter Hessenthaler, offensichtlich schaden: Beispielsweise verbreitete er ein Foto aus dem Internet, das eine Hanfplantage zeigt, als vermeintlichen Beleg, Hessenthaler würde Drogen anbauen. Auch zahlte er einem der Hauptbelastungszeugen mehrere Tausend Euro – dieser hatte Hessenthaler zunächst nicht belastet, änderte aber später die Aussage.

All dem scheint bei dem Prozess zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein. Hessenthaler muss ins Gefängnis – er meldete aber Berufung an. Der Strache-Fan der Soko Tape wurde übrigens befördert. Es ist ein Sittenbild. (Muzayen Al-Youssef, 30.3.2022)