Justizministerin Alma Zadić sagte am Mittwoch vor dem U-Ausschuss aus.

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Lang hatte Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Mittwoch den Vorsitz im U-Ausschuss nicht inne: Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte gerade ihr Eingangsstatement abgegeben, da entschwand Sobotka auch schon aus dem Camineum – zur allgemeinen Verwunderung. Wenige Stunden später berichtete die "Kronen Zeitung" dann, dass er nun offiziell Beschuldigter in einem Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist. Mit dem hastigen Verlassen des Vorsitzpostens soll das aber nichts zu tun gehabt haben – tatsächlich sei Sobotka laut seinem Büro zu einem Termin mit dem Bürgermeister der ukrainischen Stadt Melitopol geeilt.

Kandidatin verhindert

In den Ermittlungen der WKStA geht es um eine Angelegenheit aus Sobotkas Zeit als Innenminister, die DER STANDARD im vergangenen Februar aufgedeckt hat. Chats auf dem Smartphone von Sobotkas Kabinettschef Michael Kloibmüller zeigten, wie sehr die Ministeriumsspitze rund um eine Postenvergabe in Wien intervenierte. Mit seinem Minister unterhielt sich Kloibmüller darüber, dass sich Andrea Jelinek, Leiterin der Datenschutzkommission, als Vizelandespolizeidirektorin in Wien bewerben wollte. Man solle "den Sozen zeigen, wo der Hammer hängt", meinte Kloibmüller mit Blick auf Jelinek, die der SPÖ zugerechnet wurde. Den Posten bekam sie nicht.

Sobotka verwies in der "Krone" darauf, dass er der Empfehlung der Begutachtungskommission gefolgt sei. "Es ist leider ein Zeichen unserer Zeit, dass der politische Diskurs zunehmend mit juristischen Mitteln geführt wird", sagt er.

Just mit der Frage, wie politisiert innerhalb der Justiz agiert wird und wie die Politik Ermittlungen beeinflussen will, beschäftigte sich am Mittwoch der U-Ausschuss. Auch da ging es um Chats, nämlich jene zwischen dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek und Hans Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Detailliert lässt sich in ihnen nachlesen, wie die beiden Pläne gegen die WKStA schmiedeten. Spätestens im April 2019 war die Zusammenarbeit zwischen Oberbehörden und Antikorruptionsstelle komplett eskaliert, seither hegten beide Seiten einen Groll aufeinander.

Die ganze Situation sei "unerträglich" gewesen, sagte Zadić dazu vor dem U-Ausschuss. Sie habe zahlreiche Maßnahmen getroffen, um die Arbeitsbedingungen der WKStA zu verbessern – beispielsweise Fuchs die Dienstaufsicht über Causen der WKStA entzogen und dessen Suspendierung angeregt, was der Oberste Gerichtshof zuerst abgelehnt hat. Am 23. März sprach Zadić allerdings die vorläufige Suspendierung aus, wie "Die Presse" zuerst berichtete. Grund dafür ist, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck Strafantrag gegen Fuchs gestellt hat. Es gilt die Unschuldsvermutung, ermittelt wurde wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss und Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Zurück zur WKStA: Die habe außerdem zehn Prozent mehr Planstellen erhalten, ihr Führungsteam soll um eine dritte Erste Stellvertreterin von Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vergrößert werden. Von deren Entscheidung, der Soko Tape die Ermittlungen zu entziehen, habe Zadić erst im Nachhinein erfahren. Die Ermittlungen seien aber "nicht gefährdet"; wer die WKStA künftig unterstütze, werde gerade verhandelt.

Zadić: Chats "abstoßend"

Aus Sicht der Opposition agierte Zadić allerdings zu lasch. Das Justizministerium tue zu wenig, Zadić hätte aktiver sein müssen, um die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu schützen, meinte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper.

Anders lautete naturgemäß die Kritik der ÖVP: Die WKStA ecke an, sagte der Abgeordnete Christian Stocker. Was er dazu sage, dass Pilnacek als Sektionschef nachfragte, wer den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf seine Einvernahme durch die WKStA "vorbereitet"? "Ja mei, er hat das halt geschrieben", replizierte Stocker lapidar. Pilnaceks und Fuchs' Chats stießen Zadić jedenfalls ab: "Das ist das Bild, das wir nicht abgeben wollen", erklärte Zadić.

Nach einer kurzen Pause nahm dann WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda vor den Abgeordneten Platz. Auch für sie seien die Zustände "unerträglich", sagte sie in ihrem Eingangsstatement.

In Richtung von Pilnaceks Aussagen über die Hausdurchsuchung bei Blümel meinte Vrabl-Sanda, es sei sicher kein "Putsch", wenn gerichtlich genehmigte Maßnahmen durchgeführt würden. Bei den Oberbehörden habe sich eine "systemische Problematik" gezeigt; es brauche weitere Verbesserungen – womöglich sollten Gerichte statt der Oberstaatsanwaltschaft Wien die Dienstaufsicht innehaben. (Renate Graber, Fabian Schmid, 30.3.2022)