Die QAnon-Bewegung hat sich auch in Österreich längst etabliert.

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Einst mobilisierten sie für Donald Trump und die Erstürmung des US-Kapitols. Dann befeuerten sie Verschwörungserzählungen zur Covid-19-Pandemie und zur Impfung. Und nun nutzen sie den Krieg in der Ukraine, um ihr prorussisches und damit antiamerikanisches Narrativ zu verbreiten. Die ursprünglich aus den USA stammende QAnon-Bewegung hat längst auch in Österreich und Deutschland Fuß gefasst und stößt mit ihren Botschaften auf viel Resonanz.

Besonders in Österreich werden viele mittels Verschwörungserzählungen instrumentalisiert, zeigt eine Untersuchung des gemeinnützigen Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), die am Donnerstag publiziert wurde. 16,2 Prozent und damit fast jeder sechste Befragte stimmen den verbreiteten Botschaften demnach mehr oder weniger zu. In Deutschland ist der Verschwörungsglaube mit 12,4 Prozent zwar ebenfalls stark, aber doch deutlich geringer als in Österreich ausgeprägt.

Rechtes Milieu in Österreich stark

CeMAS-Geschäftsführer Josef Holnburger führt diesen Umstand im STANDARD-Interview darauf zurück, dass rechtspopulistische Parteien und Organisationen in Österreich im Vergleich zu Deutschland seit Jahren stärker vertreten seien. "Dazu kommt, dass viele verschwörungsideologisch ausgerichtete Medien aus dem rechten Milieu Ursprung und Geldgeber in Österreich haben", erklärt Holnburger. In der FPÖ-, MFG- und AfD-Wählerschaft ist die Zustimmung zu QAnon-Erzählungen besonders hoch.

Während der Pandemie und der darauffolgenden Anti-Impf-Bewegung hätten gerade diese Akteure die Stimmung für sich nutzen können. Die Untersuchung legt nahe, dass die Impfskepsis stark mit der QAnon-Szene verknüpft ist. Während in Deutschland fast jede zweite ungeimpfte Person die Verschwörungserzählungen glaubt, sind es in Österreich mit 41 Prozent nur geringfügig weniger.

Einmal mehr zeigt die unter 3.000 Befragten durchgeführte Umfrage, dass viele QAnon-Botschaften verbreiten, ohne die Hintergründe der gut organisierten Bewegung zu kennen oder gar zu realisieren, dass die Erzählungen aus dieser Ecke stammen. Denn gerade einmal sechs Prozent in Österreich und neun Prozent in Deutschland gaben an, viel über QAnon gelesen zu haben.

Antisemitische QAnon-Erzählungen

Die von der rechtsextrem und antisemitisch geprägten Szene in die Welt gesetzten Botschaften entwickeln sich folglich über Telegram und andere Social-Media-Kanäle zum Selbstläufer, ohne dass sie von den Multiplikatoren auf die Gruppe zurückgeführt werden. Die Meta-Erzählung bleibt laut Holnburger immer die gleiche: "Es gibt eine kleine verschworene Gruppe, die global alle politische Macht besitzt, die Medien unter Kontrolle hat und böse Absichten verfolgt. Diese übergeordnete Klammer ist der Kern der QAnon-Erzählung."

Einige der am weitesten verbreiteten Erzählungen sind antisemitischen Ursprungs. Erfundene Berichte über Kindersex-Handel sowie darüber, dass Kindern Blut extrahiert werde, damit politisch Mächtige sich dadurch verjüngen können, gehen auf Ritualmord-Erfindungen aus dem 12. und 13. Jahrhundert zurück, die der jüdischen Bevölkerung fälschlicherweise angehängt wurden. "Heute ist nicht mehr von Juden die Rede, sondern von den Rothschilds, Soros oder Kabale", erklärt Holnburger.

Erste Risse durch Ukraine-Krieg

Da große Teile von Politik und Medien als Teil der Verschwörungserzählung diskreditiert seien, tun sich diese Holnburger zufolge äußerst schwer, Anhängerinnen derartiger Ideologien noch zu erreichen. Im Gegenteil werde alles per se abgelehnt, worüber in den Medien ein gewisser Konsens bestehe. Das zeige sich aktuell auch beim Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Da praktisch alle Medien mehr oder minder diesen Krieg verurteilen, ist für Verschwörungsideologen klar: Es kann nicht stimmen, Putin wird folglich unrecht getan."

Der Ukraine-Krieg, der laut Analyse der Forscherinnen und Forscher nun ebenfalls instrumentalisiert zu werden droht, habe allerdings erste Brüche in der Szene gezeigt. Einige Menschen würden Telegram-Kanälen und anderen Gruppen den Rücken kehren, weil sie den Angriffskrieg und das Leid der betroffenen Bevölkerung einfach nicht gutheißen könnten. Die Bewegung hält Holnburger weiterhin für brandgefährlich. "QAnon geht es in erster Linie um Desinformation und darum, demokratische Werte zu attackieren. Das muss man sehr ernst nehmen." (Martin Stepanek, 31.3.2022)