Viele aus der Wiener Gaming-Community nutzen öffentliche Orte wie die Respawn-Bar für ihre Geburtstagsfeiern oder ähnliche Anlässe.

Foto: Christian Fischer

Die Pandemie war in den letzten beiden Jahren wohl der härteste Gegner für die Gastronomie.

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Die junge Moderatorin und Social-Media-Managerin Laura Peter sieht – wenn man ein Klischee bedienen darf – ihrer trendigen Kleidung nach so aus, als würde sie ihren Geburtstag am liebsten in einem der zahlreichen hippen Clubs feiern, die Wien zu bieten hat. Stattdessen zelebrierte die 29-Jährige ihr persönliches "Level-up" in der E-Sport-Bar Respawn. Die Gamerin schwärmt von der gemütlichen Atmosphäre, dem netten Personal und dem großen Angebot an PCs und Konsolen, die zum Spielen einladen. Sie kann sogar die Anime-Musikstücke, die aus den Boxen schallen, etwa den in der jungen Popkultur verwurzelten Titelsong von Pokémon, schätzen und freut sich wie ein kleines Kind über die "Pogchamp Nachos" mit viel Käse, die einem Internet-Meme gewidmet sind.

Afterwork

"Hier trifft sich die Gaming-Szene Wiens, und wer einfach ein Afterworkbier trinken will, der kann das genauso tun", erzählt Laura über die Bar am Wiener Gürtel. In den berühmten Stadtbahnbögen hat sich vor sechs Jahren zwischen Beisln, Discos und Fahrradläden auf der Höhe Nussdorfer Straße auch die Respawn-Bar einen Platz gesichert. Der Eigentümer Patrick Tondl hat seitdem viel erlebt – etwa eine über zweijährige Pandemie, die sich gegenüber vielen Gastronomen wie ein unbezwingbarer Endgegner präsentierte. Aber schon der Einstieg 2016 war nicht ganz einfach. "Tatsächlich habe ich zum Start ein wenig spekuliert, dass die Vergnügungssteuer für das Lokal bald fallen würde", erzählt Tondl. Ansonsten hätte er pro Bildschirm, von denen er immerhin rund 15 in der Bar stehen hat, 100 Euro monatlich an die Stadt Wien überweisen müssen. 2017 wurde diese Steuer abgeschafft, und so konnte sich der dreifache Vater auf das Kerngeschäft fokussieren – eine laufende Bar zu etablieren, die genauso eine gute Küche und regelmäßige Events bot.

"Wir haben angefangen, Pub-Quizzes und Gaming-Turniere zu organisieren und zusätzlich Public Viewings großer E-Sport-Turniere angeboten", sagt Tondl. Damit hätte man sich breiter aufgestellt und damit geschafft, ein Stammpublikum aufzubauen. Mit der bereits erwähnten Musik, die auf das Publikum abgestimmt ist, und thematisch passenden Getränkekarten, so gibt es etwa saisonale Cocktails wie beispielsweise "Kirby's Forgotten Drink" oder auch "Gorkamorka", will man den Besuchern zusätzlich klarmachen, wo sie hier gelandet sind.

Obwohl die Szene die Bar gut aufgenommen hat, einen Boom an ähnlichen Institutionen hat sie nicht ausgelöst. Das liegt laut Tondl vor allem daran, dass die E-Sport-Szene in Wien und Österreich zwar sehr aktiv, aber nicht gerade zahlreich sei. Man müsse in erster Linie eine Bar sein, die auch ein Angebot in Richtung Games und E-Sport bereithält. Zudem seien viele Interessierte, die sich über die Jahre bei ihm Rat holen wollten, unter anderem von dem hohen Investment, der vielen Arbeit und der Unsicherheit in den ersten Jahren abgeschreckt worden, die so ein Lokal erfordert. "In Österreich ist es als Gründer trotz diverser Förderungen knüppelhart", erzählt Tondl. Sein ehrliches Feedback habe mit Sicherheit auch einige abgeschreckt, hier aktiv zu werden.

Vor allem die Übertragung von diversen Weltmeisterschaften wird gern in Gesellschaft genossen, wie man das sonst auch von Fußball oder Football kennt.
Foto: Christian Fischer

Public Viewing

Die Idee hinter der Kombination aus Gastronomie und Gaming ist nicht neu, weiß Manuel Haselberger vom E-Sport-Verband Österreich. Gemeinsam mit Freunden hatte er vor etwa zehn Jahren Public Viewings in Wiener Bars organisiert, die man damals vor allem in Form von Fußballübertragungen kannte. Statt Real Madrid oder Rapid Wien war auf den Leinwänden und TV-Geräten allerdings das populäre Computerspiel "League of Legends" zu sehen. "Wir hatten bald hunderte Fans und mussten schnell weitere Standorte suchen, an denen wir die Events parallel zeigen konnten", erzählt Haselberger aus dieser Zeit. Schnell entstanden die sogenannten "Barcraft Austria"-Events auch für andere Spiele, um neue Zuschauer anzusprechen. Als die Veranstalter allerdings die Lust daran verloren, diese Events zu organisieren, verschwand die Idee so schnell, wie sie gekommen war.

Unter den internationalen E-Sport-Bars ist vor allem die Marke "Meltdown" ein Begriff. Bereits im Jahr 2012 wurde die erste Bar mit diesem Namen in Paris eröffnet. In Frankreich ist auch rund die Hälfte der mittlerweile 28 Standorte beheimatet. Das verbleibende Dutzend verteilt sich auf Deutschland, England und Spanien. Außerhalb von Europa hat man bisher zwei Franchisenehmer gefunden – Montreal und Panama City. Das Konzept funktioniert offenbar, sonst wäre wohl Meltdown Ende März 2022 nicht von der schwedischen E-Sport-Bar- und Restaurant-Franchise Kappa Bar gekauft worden.

Unter dem Namen Kappa Meltdown Group will man laut ersten Medienberichten bis 2027 rund 100 weitere Lokale in ganz Europa eröffnen. Welche Summen für die Akquisition über den Tisch gingen oder von welchen Investments man bezüglich der Expansion spricht, wurde im Rahmen des Kaufs nicht der Öffentlichkeit verraten. Eines zeigt dieser internationale Deal aber in jedem Fall – die Faszination, Online-Events nicht am heimischen TV anzusehen, sondern zusammen mit Gleichgesinnten im öffentlichen Raum, scheint zu funktionieren.

"Die bestehende Gaming-Community feiert solche Einrichtungen und freut sich über diese Offline-Treffpunkte. Speziell dauerhafte Einrichtungen tragen wesentlich dazu bei, dass die Community auch wachsen kann", erklärt Haselberger die Relevanz. Speziell für die junge E-Sport-Szene würde sich Haselberger Gaming-Stätten wünschen, die ähnlich wie Fußballplätze fixe Treffpunkte für junge Gamerinnen sein könnten. Als Verband arbeite man an solchen Konzepten, vor allem im politischen Austausch, aber es sei noch ein langer Weg. Mobilfunker A1 begann vor einigen Jahren, mit den sogenannten E-Sport-Hubs solche fixen Trainingsorte einzurichten und regionalen Vereinen so Treffpunkte anbieten zu können. Derzeit gibt es allerdings pro Bundesland nur einen Hub, das heißt, auch hier ist man von einer flächendeckenden Lösung noch sehr weit entfernt.

Getränke und Speisen mit Games-Bezug – ein einfacher Weg der Community zu zeigen, dass man sich der Zielgruppe annehmen will.
Foto: Twitter/Meltdown

Spaßbremse Covid

Dem Boom solcher Offline-Lokale hat sicher auch die über zwei Jahre dauernde Pandemie geschadet. "Im März 2020 habe ich mich geistig von meinem Projekt verabschiedet", sagt Tondl sichtlich aufgewühlt. Nachdem die ersten finanziellen Hilfen eintrudelten, schöpfte er aber wieder Hoffnung. Die zahlreichen Maßnahmen, die immer sehr kurzfristig beschlossen wurden, waren allerdings keine moralische Unterstützung, durch diese harte Zeit zu kommen. Er sei aber stolz, sich den Traum von der eigenen E-Sport-Bar erfüllt zu haben.

Auf die Frage, ob er noch einmal diesen Weg gehen würde, antwortet Tondl nach kurzer Überlegung: "Das ist eine schwierige Frage, aber mit all den Erfahrungen dieser Pandemie würde ich niemals ein Lokal eröffnen." Wenn man die Pandemie ausblende, so der Barbesitzer, würde er aber alles genauso wieder machen. (Alexander Amon, 12.4.2022)