Das Büro des Vorarlberger Wirtschaftsbunds in Feldkirch – in unmittelbarer Nähe liegt die Zentrale der Wirtschaftskammer.

Foto: APA/Stiplovsek

Die Causa Wirtschaftsbund sorgt in Vorarlberg weiterhin für Aufregung. Das Interesse daran, wie die ÖVP-Teilorganisation mit einem Gratismagazin mit geringer Auflage Millionen machen konnte – und diese dann eventuell zu gering besteuerte, wie derzeit untersucht wird –, reicht aber bis in die Bundeshauptstadt.

Umsätze könnten bei fünf Millionen liegen

Für den Untersuchungsausschuss, der die Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder zum Thema hat, sollen am Donnerstagabend Akten, also Unterlagen der Finanz, beim Finanzministerium dazu angefordert werden. Auch ob eine Ladung von zumindest Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) zu der Causa möglich ist, dürfte derzeit geprüft werden.

Wallner und ÖVP-Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz haben diese Woche ja eingeräumt, dass 2014 und 2019 Zahlungen von 400.000 bzw. 500.000 Euro an die ÖVP gingen. Dabei dürfte es sich aber nur um einen Bruchteil dessen handeln, was die ÖVP-Organisation mit dem Magazin "Vorarlberger Wirtschaft" eingenommen haben dürfte. Recherchen der Tageszeitung "Vorarlberger Nachrichten" legen nahe, dass seit 2014 ungefähr fünf Millionen Euro mit Inseraten eingenommen wurden.

Wetz versichert in einer Mail an den STANDARD, dass es nur die beiden erwähnten Zahlungen gegeben habe. Zu den Umsätzen der "Vorarlberger Wirtschaft" könne er – Landesgeschäftsführer jener Partei, deren Teilorganisation der Wirtschaftsbund ist – nichts sagen, "da ich hier keine Informationen bzw. Kenntnis habe".

Wirtschaftsbund-Direktor hält Schätzung für zu hoch

Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler, der für Anzeigenakquise und Redaktion beim Magazin der Organisation verantwortlich ist, bezeichnet die Rechnung der "Vorarlberger Nachrichten" als viel zu hoch. Eine Anfrage dazu, wie hoch genau die Umsätze denn waren und was mit dem restlichen Geld, das nicht an die ÖVP ging, passiert ist, ließ Kessler vorerst unbeantwortet.

Die Auswertung der Magazine zeigt auch die wichtigsten Inserenten – es sind dies zu einem großen Teil Landesunternehmen, etwa die Hypo Vorarlberg. 2021 gab es laut einer Unternehmenssprecherin acht Schaltungen zu insgesamt 24.000 Euro. Dem STANDARD sagt sie dazu, die Hypo inseriere "regelmäßig in verschiedenen ausgewählten Medien. "Alle Inserate werden ohne Bezug einer Partei gebucht."

Landeseigene Unternehmen für Landeshauptmann kein Thema

Die Neos lenkten die Aufmerksamkeit bereits im Herbst in einer parlamentarischen Anfrage auf die landeseigenen Unternehmen. Die Pinken wollten vom Landeshauptmann wissen, "inwiefern das Land und landeseigene Unternehmungen hier insgesamt die 'Vorarlberger Wirtschaft' und damit indirekt den Vorarlberger Wirtschaftsbund beziehungsweise schlussendlich die Vorarlberger Volkspartei unterstützt haben". Wallner ließ dazu Ende Dezember nur wissen, dass diese Zahlungen Sache der Unternehmen seien.

Das Thema ist auch auf Bundesebene aktuell: Denn Inserate von Unternehmen in Landeseigentum an Parteizeitungen sollen laut dem Entwurf für das neue, noch in Verhandlung stehende Parteiengesetz erlaubt bleiben.

Bei der Hypo betont man, dass seit der Gründung vor 125 Jahren "noch nie" Unterstützung vom Land Vorarlberg oder vom Bund in Anspruch genommen worden sei. "Vielmehr hat die Bank in den vergangenen Jahren aufgrund der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung hohe Ertragssteuern abgeführt." Will man auch weiterhin beim Wirtschaftsbund inserieren? "Wir entscheiden wirtschaftlich, ob ein Medium für uns interessant ist. Die weiteren Entwicklungen werden wir genau beobachten und dann das Thema neu bewerten", schreibt die Unternehmenssprecherin. Dazu gehöre auch die Entscheidung über künftige Buchungen.

Rauch-Unternehmen unter Top-Inserenten

Den Bezug zur Partei, den die Hypo in Abrede stellt, gab es bei der Unternehmerfamilie Rauch durchaus – zumindest 2018 und 2019, als diese die ÖVP mit insgesamt 225.000 Euro an Spenden unterstützte. Inserate der Unternehmen der Familie – unter anderem Rauch Fruchtsäfte und Hirschmann Automotive, aber auch der Zulieferer und Getränkedosenhersteller Ball – machen laut "Vorarlberger Nachrichten" 81.000 Euro in einem Jahr aus.

Mehr als 50.000 Euro in einem Jahr sollen der Berechnung der "Vorarlberger Nachrichten" zufolge außerdem von den Krankenkassen ÖGK und SVS gekommen sein. Gegenüber der Zeitung spricht Kessler von "redaktionellen Serviceseiten", die ÖGK habe nie bezahlt.

Wie bereits bekannt, sind auch einige Inserate von Fachgruppen der Wirtschaftskammer dabei. Kürzlich hatte der Tischler Michael Stadler, der viele Jahre stellvertretender Innungsmeister war, ja über Druck aus dem Wirtschaftsbund zu inserieren erzählt. Dieses System habe es schon seit etwa 20 Jahren gegeben.

Langjähriger Spartenobmann: Kessler steckte Geld in die eigene Tasche

Stadler zur Seite sprang nun auch der langjährige Spartenobmann Industrie in der Wirtschaftskammer, Christoph Hinteregger, der auch viele Jahre Mitglied beim Wirtschaftsbund war. Der Tischler sei für ihn "ein Held", sagte er in "Vorarlberg live". Auch er sei zu feig gewesen, etwas zu sagen, das wolle er nun ändern. Es könne nicht sein, dass sich Wirtschaftsbund-Direktoren – gemeint offensichtlich Jürgen Kessler – für jede Anzeige über Firmenkonstruktionen Geld in die eigene Tasche stecken, so der mittlerweile pensionierte Hinteregger. Er spricht von überhöhten Provisionen im Bereich von 30 Prozent. "Hier haben wir es nicht mehr mit Moral und Ethik zu tun." All das gehe mit der christlichen Soziallehre sowieso nicht zusammen. Hinteregger bestätigte, dass von den Entschädigungen für die Kammerarbeit zehn Prozent an den Wirtschaftsbund gegangen seien; was damit passiert sei, wisse er nicht.

VOL.AT - Vorarlberg Online

"Irgendwann, wann es den oberen Herren getaugt hat, gab es eine Generalversammlung", in 17 Jahren habe Hinteregger drei erlebt. Der Finanzreferent habe da nur gesagt, alles ist gut, niemand habe etwas dazu gesagt und das sei es gewesen. "Wir haben nie gewusst, was mit den Finanzen im Wirtschaftsbund wirklich los ist." Auch was an die Partei überwiesen wurde und wann, sei nie besprochen worden. "Im Skiverein und im Blasmusikverein gibt es einen Kassaprüfer, der sagt, die Gebarung ist in Ordnung. Haben wir nie gehabt." Hinteregger wünscht sich für die Zukunft mehr Transparenz und Information, es brauche eine Neuaufstellung im Wirtschaftsbund. Auch Kesslers Vorgänger habe einen ähnlichen Stil an den Tag gelegt, von dem Hinteregger überhaupt nichts hält.

Ein System, das seit Jahren besteht

Das passt auch mit den Erinnerungen von Vertretern der Grünen Wirtschaft in Vorarlberg zusammen. Bereits kurz nach der Gründung der Wirtschaftskammer-Liste habe man die Verflechtungen thematisiert. "Damals wahrscheinlich noch zurückhaltender, aber ab 2010 dann ganz offensiv", erinnert sich einer. Alles sei damals genauso gewesen wie heute, meint er. Man habe auch eine Auflistung nach Inserenten präsentiert, wie es die "Vorarlberger Nachrichten" nun gemacht haben. "Das Thema wurde totgeschwiegen."

Dabei trugen die Grünen die Verflechtungen zwischen Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer, aber auch die Inserate von Landesunternehmen gemeinsam mit der SPÖ auch in den Landtag. Der damalige Finanzreferent des Wirtschaftsbundes habe in "erfrischender Offenheit" nicht nur dargelegt, dass sich der Wirtschaftsbund über die Mitgliedsbeiträge und über den Inseratenverkauf der Wirtschaftsbundzeitung finanziert, wie es in der Anfrage heißt.

Anderer Landeshauptmann, gleiche Antwort

Der Mann hatte auch eingeräumt, dass der Wirtschaftsbund die ÖVP finanziell bei Wahlgängen unterstützt. Und weil im Magazin "Vorarlberger Wirtschaft" viele Inserate von Unternehmen kämen, die zumindest teilweise im Eigentum des Landes Vorarlberg stehen, würden "über die Hintertür von Bankgebühren, Strom- und Erdgaspreisen ÖVP-Wahlkämpfe finanziert", wie es in der damaligen Anfrage hieß. Und wie es Wallner elf Jahre später tat, verwies auch der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber in seinen Antworten darauf, dass er keinen Einfluss auf das operative Geschäft der Landesgesellschaften nehmen könne.

Eine Berichterstattung zu dem Thema gab es weder vor zwanzig noch vor zwölf Jahren. Wolfgang Pendl, der viele Jahre bei der Grünen Wirtschaft war, übte deswegen am Mittwoch auf Twitter Kritik an den Vorarlberger Medien. (Lara Hagen, 31.3.2022)