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Jared Leto als Michael Morbius: Plötzlich wendig und fit, aber da ist auch die monströse Seite, die Morbius an sich nicht akzeptieren kann.

Foto: Jay Maidment / Sony Pictures via AP

Vampire sind im "Marvel Cinematic Universe" eher rar – doch sollte es mitten im derzeitigen Jahrtausendwende-Revival (Buffy usw.) nicht an der Zeit sein, die ruhenden Untoten wieder aus ihren Särgen zu lassen? Auftritt Morbius. Die 1971 von Roy Thomas und Gil Kane erfundene Marvel-Figur ist zwar kein untoter, sondern ein "lebendiger Vampir". Er stammt aber dennoch aus Osteuropa – zumindest im Comic, wo der kleine, todkranke Michael mit seinen Eltern in Griechenland lebt.

Sony Pictures Entertainment

Der neueste Marvel-Blockbuster unter der Regie von Daniél Espinosa beginnt jedoch in einem britischen Kindersanatorium (wo sonst?). Dort freundet sich der elternlose Michael Morbius mit Milo an, der unter derselben Blutkrankheit leidet. Milo ist reich, Michael ist begabt. Er wird Biochemiker und Arzt, gewinnt gar den Nobelpreis für die Erfindung synthetischen Blutes, lehnt ihn jedoch ab … Dr. Morbius hat schlicht kein Interesse an der Wissenschaft. Gesponsort wird er von seinem Freund, und das Einzige, was zählt, ist eine Heilung für ihre Krankheit zu finden.

Nur kein Zeitverlust

Mithilfe von Vampirfledermäusen gelingt schließlich eine vielversprechende Gentherapie. Da Morbius keine Zeit zu verlieren hat, opfert er sich selbst als Versuchskaninchen, und seine Kollegin Martine Bancroft verabreicht ihm in internationalen Gewässern illegal die DNA. Und tatsächlich kommt er zu Kräften, sogar zu übermenschlichen.

Ausgestattet mit Echo-Ortung, Fluggeschwindigkeit und vielen noch zu entdeckenden Fähigkeiten kann er endlich seinem siechenden Körper Lebewohl sagen, wären da nicht die lästigen Nebenwirkungen. Hungrig wird er nämlich zum Vampir, und im dunklen Bauch des Schiffes muss gleich die gesamte Crew ihr Leben lassen.

Wenn dann das Leichenschiff namens Murnau in Manhattan einfährt, ist das natürlich eine Hommage an den gleichnamigen deutschen Regisseur und seinen Stummfilm-Klassiker Nosferatu. Auch Werner Herzog hat sich Nosferatus 1979 nochmals angenommen.

Haut, Haare und Body

Bei Friedrich Wilhelm Murnau spielt Max Schreck den Vampir, bei Werner Herzog tut dies dann Klaus Kinski. Rein optisch könnten die Unterschiede zu Jared Leto jedoch nicht größer sein: Morbius’ Gesundung wirkt beim mittlerweile 51-jährigen Leto wie ein "Instagram-Glow-up": Haut, Haare, Body – mit einem Wimpernschlag ist alles prall und aalglatt, wäre da nicht die schirch-monströse Seite, die Michael Morbius schlicht nicht akzeptieren kann.

Sein Freund Milo, verkörpert vom Briten Matt Smith (The Crown), geht ganz anders mit dem Vampirdasein um. Heimlich hat er sich an der DNA bedient und lebt die Transformation mit den Freuden eines Narzissten aus, der nun endlich glänzen darf. Er faucht sich liebevoll im Spiegel zu und ermahnt den Freund, sich doch so zu akzeptieren, wie er ist.

Weil dieser jedoch ein Guter sein möchte und die ebenfalls bildschöne Martine (Adria Arjona) liebt, versucht Michael, seine dunkle Seite zu kontrollieren. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Neo-Vampiren führen schließlich natürlich zum archaischen Showdown.

In Morbius glänzen vor allem die Nebenrollen: Die Polizeibeamten, die die rätselhaften Morde ermitteln, sind ein ulkiges Duo, Milo ist fantastisch, und Martine, die erst gegen Ende ihren großen Erweckungsmoment hat, hat großes Potenzial zur Vampirbraut. Fantastisch eingekleidet wurden beide von Cindy Evans (Memento) nach dem Vorbild Patrick Batemans und der Sängerin Sade.

Zum Gefühl der Spät-80er bzw. Anfang-90er tragen auch düstere wie lebhafte New Yorker Stadtansichten der Setdesignerin Stefania Cella bei, die Indie-Perlen wie La Grande Bellezza oder Downsizing ebenso wie die kommende Marvel-Miniserie Moon Knight ausgestattet hat.

Wohin mit ihm?

Recht kurzweilig und schön zum Ansehen ist Morbius, doch man darf sich fragen, wo der von Sony produzierte Film im ohnehin dicht bevölkerten Marvel-Universum andocken wird? Der bereits angeteaserte Auftritt von Vulture (Michael Keaton) verortet Morbius in Spidermans Netz, und die Nähe zum Anti-Avenger Venom (Tom Hardy, ebenfalls Sony) deutet an, dass der Doktor nicht allzu lange den Guten spielen darf.

Vor allem aber wird der "lebendige Vampir" der von den Marvel Studios geplanten Wiederaufnahme des Vampirjägers Blade (diesmal mit Mahershala Ali) in die Hände spielen. Die Marvel’sche Vampirsaison ist damit offiziell eröffnet! (Valerie Dirk, 1.4.2022)