Als Fabio M. vor einigen Wochen seinen 58. Geburtstag feierte, kamen per Whatsapp auch Glückwünsche vom Handy seiner Tochter Carol. Der Vater hatte in diesen Tagen oft mit ihr gechattet – ebenso die getrennt von ihm lebende Mutter der 26-Jährigen.

Was die beiden Eltern nicht wussten: Ihre Tochter war da schon seit längerer Zeit tot. Die Nachrichten tippte nämlich deren mutmaßlicher Mörder Davide F. in Carols Mobiltelefon. Und zwar mehrere Wochen lang. Bis er am Dienstag gestand und festgenommen wurde.

Der mutmaßliche Mörder meldete selbst die Tote als vermisst.
Foto: EPA/CONCETTA RIZZO

"Dieser Mann ist ein Monster", erklärte Vater Fabio in einem Interview mit dem "Corriere della Sera". Er habe geglaubt, seiner Tochter gehe es gut – doch jetzt sei sein "Herz vom Schmerz zerstört". Und dann flehte der Vater noch: "Sagt mir bitte, dass das alles nicht wahr ist."

Brutaler Tathergang

Der Mord und die Tatumstände sind besonders brutal und makaber. Das Opfer und der 43-jährige mutmaßliche Mörder wohnten in einem Vorort von Mailand, waren Nachbarn im gleichen Mehrfamilienhaus und seit einigen Monaten auch befreundet. Carol M. war Verkäuferin und Mutter einer sechsjährigen Tochter, Davide F. Bankangestellter und Food-Blogger.

Beide betätigten sich in ihrer Freizeit als Pornodarsteller – so auch in der Tatnacht vom 10. Jänner: Laut Ermittlern hatten die beiden mit dem Handy zwei Erotikvideos gedreht – als Davide F. plötzlich mit einem Hammer zugeschlagen und seinem Opfer danach auch noch die Kehle durchschnitten habe. Das Motiv ist laut dem Untersuchungsrichter noch unklar. Es heißt, der Täter sei auf andere Männerbekanntschaften seiner Nachbarin eifersüchtig gewesen.

Am Tag nach dem Mord sei der Täter laut Ermittlungsbericht in den Baumarkt gegangen, um sich ein Beil und eine Metallsäge zu besorgen, mit dem er sein Opfer in dessen Wohnung zerlegt habe. Das habe eineinhalb bis zwei Stunden in Anspruch genommen, erklärte der mittlerweile Geständige den Ermittlern.

Tiefkühltruhe online bestellt

Am gleichen Tag habe er bei Amazon eine Tiefkühltruhe bestellt, die drei Tage später geliefert worden sei und in welcher er die in mehrere schwarze Plastiksäcke verteilten Leichenteile deponiert habe. Daneben sei er seiner Arbeit als Bankangestellter nachgegangen – im Homeoffice. Und er postete als Food-Blogger auf Instagram wie gewohnt seine Rezepte: Am 24. Februar erklärte er seinen Followern etwa die "Mozzarella di pane con salsa al pomodoro"; am 26. Februar die "klassische Pizza Margherita, Gourmetversion" und am 28. Februar die Süßspeise "Mozzamisù".

Der Täter habe auch das Mobiltelefon seines Opfers an sich genommen – und dieses hörte nicht auf zu klingeln: Freunde, Bekannte und Verwandte riefen an. Davide F. habe laut Protokoll die Anrufe ins Leere gehen lassen, habe dann aber mit per Whatsapp oder SMS. geantwortet Er habe sich also als sein Opfer ausgegeben und Nachrichten wie diese geschrieben: "Ich bin in Dubai bei einem Dreh, ich kann nicht reden, nur schreiben." Er habe per E-Banking im Namen von Carol auch Bankgeschäfte getätigt und pünktlich ihre Miete bezahlt: Er kannte laut Ermittlern das Passwort.

Online-Identität gestohlen

Und Davide F. "pflegte" offenbar auch längere Zeit die Social-Media-Accounts seines Opfers. Das Ziel sei demnach immer das gleiche gewesen: dafür zu sorgen, dass niemand Carol vermisst und zur Polizei geht.

Die ganze Zeit über habe sich laut Polizeiprotokoll die zerteilte Leiche nebenan in seiner Nachbarwohnung in der Kühltruhe befunden. Dem Täter sei freilich klar gewesen, dass er die Tote früher oder später verschwinden lassen müsse. So habe er sich am 19. Februar – mehr als einen Monat nach der Tat – in den Bergen von Varese ein Zimmer in einer Pension genommen, habe die schwarzen Plastiksäcke mit den gefrorenen Überresten von Carol ins Auto gegeben und sei hingefahren.

Im Garten der ansonsten unbewohnten Pension habe er versucht, die Leichenteile zu verbrennen, was ihm aber nicht gelungen sei. Daher habe er sie wieder eingepackt, sei am nächsten Morgen unverrichteter Dinge wieder zurück nach Hause gefahren und habe die Säcke wieder in die Kühltruhe gelegt.

Vermisstenmeldung und Geständnis

Den zweiten Versuch, die Leichenteile loszuwerden, habe der Täter einen weiteren Monat später unternommen, ist den Unterlagen zu entnehmen: Am 22. März habe er die Säcke in einen Straßengraben in den Bergen bei Brescia geworfen, wo er einst als Kind mit seinen Eltern die Ferien verbracht habe. Zuvor habe er das Gesicht des Opfers verbrannt und versucht, mit einem Messer ihre Tätowierungen zu entfernen, um auf diese Weise eine Identifizierung des Opfers zu verhindern. Das sei aber nur teilweise gelungen.

Noch am gleichen Tag wurden die Säcke von einem Passanten entdeckt; dieser alarmierte die Carabinieri, die mit der Veröffentlichung der verbliebenen Tattoos rasch die entscheidenden Hinweise erhielten.

Eine Woche später wurde Davide F. verhaftet: Er war selber zur Polizei gegangen, um Carol als vermisst zu melden, verstrickte sich dabei aber schnell in Widersprüche. Er war – ohne es zu wissen – längst zum Hauptverdächtigen geworden. Mit dem Geständnis, sagte er dem Untersuchungsrichter, sei für ihn "ein Albtraum zu Ende gegangen". (Dominik Straub, 31.3.2022)