"Neues Jahr, neues Flaggschiff" lautet in diesen Wochen die Devise bei vielen Smartphone-Herstellern. Da bildet natürlich auch Xiaomi keine Ausnahme. Drei Monate nach dem Verkaufsstart in China hat der Konzern nun die mittlerweile zwölfte Generation seines bekanntesten Modells auch international an den Start gebracht. Jetzt hat es auch den österreichischen Markt erreicht.

Es handelt sich um das Xiaomi 12X, Xiaomi 12 und das Xiaomi 12 Pro. Letzteres Modell ist nicht nur das hier getestete, sondern bildet auch das Comeback der Pro-Variante. Denn Frühjahr 2021 gab es keine globale Ausgabe des Mi 11, Interessenten mussten sich zwischen dem "regulären" Modell und dem Mi 11 Ultra entscheiden. Ein Ultra-Modell gibt es von der 12er-Serie hingegen noch nicht. Erste Leaks deuten aber ein Handy mit komplett überarbeitetem Kameramodul an, das Xiaomi in Kooperation mit Leica im Sommer vorstellen könnte.

Bis dahin ist aber das Xiaomi 12 Pro das Spitzenmodell im Stall des Herstellers. DER STANDARD hat es einem Testlauf unterzogen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Basics

Das Handy kommt in der gewohnten und gut verarbeiteten Kombination aus Metall und Glas, es misst 163,6 x 74,6 x 8,2 Millimeter, wobei das Kameramodul merkbar hervorsteht. Die Rückseite ist mattiert, relativ unempfindlich gegen Fingerabdrücke und ausreichend griffig. Einhändige Bedienung ist aber freilich nur eingeschränkt möglich. Denn trotz schmaler Ränder hat das Handy schon aufgrund seines 6,7-Zoll-Displays eine entsprechende Größe und ist mit einem Bildschirmformat von 20:9 auch noch recht länglich. Mit 205 Gramm Gewicht gehört es bei aktuellen Spitzen-Smartphones ins obere Mittelgewicht.

Das Display selbst ist ein LTPO-AMOLED-Panel (3.200 x 1.440 Pixel) mit exzellenter Farbdarstellung, Kontrasten und Helligkeit. Es erreicht im Normalfall laut Spezifikationszettel maximal 1.000 Nits Helligkeit, bei aktiviertem HDR auch stellenweise bis zu 1.500. Die Bildwiederholrate wird variabel auf bis zu 120 Hz geregelt.

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Unter dem Bildschirm sitzt auch der Fingerabdruckscanner, der zuverlässig arbeitet. Einen Kritikpunkt liefern allerdings die seitlich gebogenen Displaykanten. An diesen kam es auch unter der aktuellen Firmware mit Android-Sicherheitspatch von März gelegentlich zu unbeabsichtigten Eingaben, die das System nicht als solche erkannt hat. An dieser Stelle sollte Xiaomi noch etwas an seiner Software feilen.

Unter der Haube wird der erwartbare State of the Art aufgeboten. Als Chipsatz kommt ein Snapdragon 8 Gen 1 von Qualcomm zum Einsatz, der auf 12 GB RAM zugreifen kann. Der Onboard-Speicher ist mit 256 GB bemessen, eine Speichererweiterung per microSD-Karte ist nicht möglich.

Auch die restliche Konfiguration kann sich sehen lassen. Das Handy unterstützt freilich 5G und LTE, dazu kommen Wifi 6, Bluetooth 5.2, NFC sowie ein Infrarotmodul für den Einsatz als App-gesteuerte Fernbedienung. Für Aufladung und Datentransfer per Kabel gibt es einen USB-C-Port, der leider immer noch auf USB 2.0-Transferraten beschränkt ist. Eine 3,5-mm-Klinke für konventionelle Kopfhörer fehlt wenig überraschend.

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Performance und Systemsoftware

Angesichts des verbauten Chips ist nicht verwunderlich, dass das Handy stets flott auf Eingaben reagiert – mit Ausnahme von seltenen, ganz kurzen, aber eben auch auffälligen Ladepausen des auf Android 12 basierenden MIUI-13-Systems. Diese betreffen aber auch nur dieses, aber keine Apps und Spiele. Auch grafisch aufwendige Games laufen flüssig und ohne das genannte Problem. Auffällig ist hier nur eine deutlich merkbare Erwärmung des Areals rechts vom Kameramodus, das auf die Performance aber keine Auswirkungen hat. Der Eindruck wird auch von synthetischen Benchmarks (Geekbench 5 und 3DMark) bestätigt, wo sich das Xiaomi 12 Pro jeweils im Spitzenfeld platziert.

MIUI 13 selbst bietet eine stark anpassbare Oberfläche. In den Standardeinstellungen erinnert es ein wenig an Apples iOS, allerdings kann man sich bereits bei der Einstellung für einen Appdrawer entscheiden. Mittels Theme-Einstellungen lässt sich auch der restliche Look recht nahe an "klassisches" Android heranführen, so man das möchte. Neben Xiaomis eigenen Standard-Apps (in denen mitunter Werbung angezeigt wird) sind auch mehrere Programme von Drittanbietern, etwa Netflix, vorinstalliert. Diese lassen sich aber einfach deinstallieren.

Das Smartphone unterliegt Xiaomis neuer Update-Garantie, die man im vergangenen Jahr eingeführt hat. Laut dieser wird das Handy drei Android-Versions-Updates und zumindest vier Jahre Sicherheitsaktualisierungen erhalten.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Kamera

Großes Augenmerk legt Xiaomi bei seinem neuen Flaggschiff einmal mehr auf die Kamera. Und bei dieser versammelt man ein Trio aus 50-Megapixel-Sensoren mit Ultraweitwinkel-, Weitwinkel- und Tele-Optik. Auf den Trend zu größeren Zoomfaktoren springt man nicht auf, geboten wird maximal ein optischer Zweifach-Zoom. Vergrößerung darüber hinaus erfolgt rein auf digitalem Wege. Es bleibt abzuwarten, ob das zu erwartende Ultra-Modell hier aufrüsten wird.

Getestet wurde das Handy unter durchaus herausfordernden Bedingungen. Durchgehend bewölkter Himmel sorgte für geringeren Lichteinfall und damit auch mehr Arbeit für das Postprocessing. Trotz dieser Erschwernis schlug sich das Xiaomi 12 Pro sehr gut. Vergleichsweise am schwächsten ist vielleicht die Ultraweitwinkelkamera, deren Aufnahmen kleine Details im Hintergrund mitunter verschluckt werden, was in der Regel aber nur auffällt, wenn man recht stark in die Fotos hineinzoomt. Positiv fällt hingegen auf, dass es kaum zu Unschärfe in Randbereichen kommt, was normalerweise ein gängiges Problem bei Aufnahmen durch eine weitwinkelige Optik ist.

Die Weitwinkel- und Telekamera sind besser im Erhalten von Details und hatten insgesamt auch wenig Mühe im Umgang mit den Wetterbedingungen. Sie machen sehr gute Fotos, die auch bei detaillierter Betrachtung so gut wie keine Gründe für Bemängelungen liefern. Auch probeweise erstelle Aufnahmen mit fünffacher Vergrößerung sehen dafür, dass hier softwareseitig stark nachgeholfen werden musste, okay aus. Möchte man ein Haar in der Suppe finden, dann vielleicht einen etwas erhöhten Rauschfaktor bei der Ablichtung großer, heller, einfarbiger Flächen in dunkleren Lichtsituationen, wie man etwa beim Testfoto des Eingangsbereichs eines Wohnhauses (siehe Galerie am Ende des Artikels) erkennen kann.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Nicht ganz geglückt ist die farbliche Abstimmung zwischen den drei Sensoren. Aufnahmen durch den Ultraweitwinkel-Sensor wirken meist klar farbintensiver, aber auch kälter als mit den beiden anderen Kameras. Weitwinkel- und Telefotos liefern die realistischere Farbabbildung. Ein Makel, der sich aber recht einfach mit den Bearbeitungsfunktionen der vorinstallierten Galerie-App beheben lässt.

Die Kamera behauptet sich auch unter Kunstlicht gut, auch wenn das Postprocessing hier im Kampf gegen Bildrauschen etwas mehr Detailverlust produziert. Großes Lob verdient sich der Nachtmodus, der nicht nur sehr schnell arbeitet, sondern auch hervorragende Ergebnisse liefert und verhältnismäßig viele Details erhalten kann. Einzig die recht starke Nachschärfung kann in manchen Szenarien (etwa bei weiter entfernten Fensterbänken und Gebäudeverzierungen) unabsichtlich einen "gezeichneten" Look erzeugen (siehe die Straßenseite des linksseitigen, roten Gebäudes auf dem Testfoto). Allgemein ist es aber durchaus beeindruckend, was für Fotos Sensor und Software gerade bei Szenen mit sehr wenig Licht zustande bringen.

Die Frontkamera arbeitet mit einer Auflösung von 32 Megapixeln und einem Weitwinkelobjektiv. Bei Tageslicht liefert sie sehr gute Fotos, die allerdings etwas zu farbintensiv geraten. Im Porträtmodus funktioniert die Auseinanderhaltung von Vor- und Hintergrund zwecks künstlichem Bokeh sehr zuverlässig. In der Nacht stößt die Selfie-Cam aber auch bei Verwendung des Nachtmodus an ihre Grenzen und liefert unscharfe und merkbar "glattgebügelte" Ergebnisse.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Akustik und Akku

In puncto Akustik muss sich das Xiaomi 12 Pro nicht verstecken. Das Handy liefert Stereosound über ein mit Harman/Kardon erarbeitetes Set-up mit vier Lautsprechern. Die maximale Lautstärke könnte zwar höher sein, klanglich ist das Ergebnis für ein Smartphone aber sehr gut. Mitteltöne und Höhen klingen satt und recht frei von Verzerrungen. Überzeugende Bässe kann man in dieser Geräteklasse nicht erwarten, aber im Rahmen des Möglichen ist auch hier der Klang ordentlich.

Die Tonqualität bei Gesprächen ist ein wenig ein zweischneidiges Schwert. Während man selbst klar zu verstehen ist und die Rauschunterdrückung Hintergrundlärm gut auszublenden weiß, bietet es am eigenen Ende nur ein durchschnittliches Erlebnis. Man selbst hört das Gegenüber zwar ausreichend verständlich, aber mit eher dumpfem Klang.

Foto: DER STANDARD/Pichler

In Sachen Akkulaufzeit stellt das Handy keine Rekorde auf. 4.600 mAh liefert der auf Lithium-Polymeren basierende Energiespeicher. Das reicht bei Power-Usern für einen Tag mit etwas Reserven. Anderthalb Tage sind bei weniger eifrigen Nutzern realistisch. Kompensiert wird das mit einer Ladeleistung von bis zu 120 Watt, wobei ein entsprechendes Ladegerät beiliegt. Wie sich schon in der Vergangenheit herausgestellt hat, werden diese Werte in der Praxis zwar nicht erreicht, dennoch ist das Handy damit wieder flott geladen.

18 Minuten für das Aufladen von 0 auf 100 Prozent verspricht Xiaomi. Soweit sich das aus der Testerfahrung extrapolieren lässt, dürfte das etwas zu optimistisch gefasst, eine maximale Ladedauer von 20 bis 25 Minuten aber durchaus erreichbar sein. Auch per Wireless Charging kann recht flott – mit bis zu 50 Watt – geladen werden, wenn man in ein entsprechendes Ladegerät investieren will. Andere Geräte lassen per Reverse Wireless Charging mit bis zu 10 Watt aufladen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Fazit

Das Xiaomi 12 Pro muss sich kaum vor der Konkurrenz im Spitzenfeld verstecken. Es mag vielleicht nicht so viele Kamerafeatures wie etwa Samsungs Topmodelle bieten, wird aber auch nicht von rätselhaften Performanceeinbußen und Komplettaussetzern in der Bildverarbeitung geplagt. Der Hersteller hat vor allem an den Stellen nachgebessert, die beim Mi 11 und (dem in Europa nie erschienenen) Mi 11 Pro vor einem Jahr bemängelt worden sind.

Es gibt kleinere Kritikpunkte, wie Fehlerkennungen an den Displayrändern und die nicht optimale Farbabstimmung zwischen den Kamerasensoren. Die erkannten Probleme sind aber im Prinzip Jammern auf hohem Niveau und grundsätzlich auch durch Softwareupdates behebbar. Gerade aber die Kamera hat im Test eine durchwegs gute Figur gemacht.

Das starke Gesamtpaket ist aber nicht billig. Die vorab bereits kolportierten Preise haben sich nämlich bestätigt und relativieren das in der Vergangenheit oft gelobte Preis-Leistungs-Verhältnis des Herstellers, der damit nun dort ankommt, wo Samsung und Konsorten bereits gelandet sind. Das Xiaomi 12 Pro wird für stolze 1.149 Euro verkauft. Das etwas kleinere Xiaomi 12, das im Bereich der Kamera sowie beim Akku etwas abgespeckt wurde, wird mit 8 GB RAM und 256 GB Onboard-Speicher für 899 Euro angeboten. Der günstigste Vertreter des Trios, das auch Abstriche beim Prozessor macht, ist das Modell 12X um 649 Euro mit 128 GB Speicher und 8 GB RAM. (Georg Pichler, 31.3.22)

Testfotos

Zum Ansehen der unkomprimierten Originalaufnahme bitte auf die Bildbeschreibung klicken! Fotos ohne expliziter Angabe wurden mit der Weitwinkelkamera aufgenommen.

Tageslicht
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Tageslicht (Ultraweit)
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Weitwinkel
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Tele (2x-Zoom)
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Tele (5x Digitalzoom)
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Tageslicht
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Tageslicht
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Tageslicht (Ultraweit)
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Weitwinkel
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Tele (2x-Zoom)
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Tele (5x-Digitalzoom)
Foto: DER STANDARD/Pichler
Gemischte Lichtsituation, Tele (2x -Zoom)
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Kunstlicht
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Frontkamera (Porträtmodus)
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Frontkamera (Nachtmodus)
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Nachtmodus
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Nachtmodus
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