Die Frage, die sich die Menschen nach dem Auszug aus dem Paradies stellten, ist von ungebrochener Aktualität: Wie konnte es nur so weit kommen? Dem Paar kann man zugutehalten, dass sich in ihm ein Mangel an Information mit einem Mangel an Fantasie paarte, wofür es beim gegebenen Mangel an Erfahrung nichts konnte. So billig lässt sich heute die Verantwortung nicht mehr abschieben. Umso mehr fühlt man sich von Nachfahren belästigt, die nun mit solchen Fragen hausieren gehen: Wie konnten wir Putin nur so falsch einschätzen? Wie konnten wir uns nur so abhängig von russischem Gas und Erdöl machen? Wie konnten wir es nur versäumen, die Neutralität an den Nagel zu hängen und das Bundesheer Nato-würdig aufzurüsten? Das alles gerne mit einem anklagenden Unterton, als hätten dunkle Mächte die Fragesteller daran gehindert, ihre Rezepte zur Rettung der Welt vor Diktaturen und sonstigem Gelichter schon vor Jahren zu präsentieren.

Dabei liegt die Antwort darauf, wie es so weit kommen konnte, in ihrer ganzen Banalität auf der Hand. Russland war ein weites Feld für gute Geschäfte, und das auf vielen Sektoren. Banken und Industrien haben sich angesiedelt, da wollte man sich von Kleinigkeiten wie der Annexion der Krim oder winzigen demokratischen Mängeln nicht stören lassen. Wohin käme man, sollten Geschäfte nur mit lupenreinen Demokratien westlichen Zuschnitts erlaubt sein.

Wo diese Elastizität ihre Grenzen findet, ist schwer vorauszusagen. Vorausgesetzt, man scheut nicht aus Geschäftsgründen davor zurück, das zu tun. Geschäfte mit China florieren. Aber müsste man nicht schon gestern gewusst haben, was daraus wird, sollte den dortigen Machthabern einfallen, Taiwan in einer Spezialoperation zu entnazifizieren? Statt nachher zu jammern, wie es nur so weit kommen konnte. Wenn die Meere endgültig verdreckt sind, wenn der brasilianische Regenurwald abgeholzt ist, dann ist immer noch Zeit, sich diese Frage zu stellen. Oder näher: Wer ernsthaft Anfängen wehren will, kann ja in EU-Mitgliedsländern beginnen, in denen Wahlen manipuliert und die unabhängige Justiz ausgehöhlt wird.

Müde Schläfer

Auch in Österreich soll jetzt ein Ruck durch die müden Schläfer gehen. Der sieht hierzulande zunächst einmal so aus, dass wir russisches Gas unbedingt weiter beziehen wollen. Aber keine Zahlung in Rubel, da bleiben wir hart! Leute, die vor fünf Jahren nicht imstande waren, Sebastian Kurz politisch richtig einzuschätzen – was schon wegen der Parteinähe weniger seelenkundliche Fähigkeiten benötigt hätte, als über den Tellerrand Putin zu durchschauen –, leisten hinhaltenden Widerstand gegen die Offenlegung des Systems Kurz, statt sich einmal die Frage zu stellen, wie es so weit kommen kann, dass der zweite Mann im Staat des Amtsmissbrauchs verdächtigt wird, aber sich weigert, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss abzugeben, wie das unter zivilisierten Verhältnissen eine Selbstverständlichkeit wäre.

Plötzliche Milliarden für das Bundesheer sollen der Bevölkerung militärische Sicherheitsbemühungen – jetzt aber wirklich! – vorgaukeln, vor allem aber davon ablenken, wie sehr es in anderen Bereichen, in Spitalswesen, Altenpflege oder im Bildungswesen, an Sicherheit und an Milliarden fehlt. Da wissen wir, wie es dazu kommen konnte. (Günter Traxler, 31.3.2022)