In einer digitalen "Wallet" sollen EU-Bürger den Reisepass oder Führerschein speichern können.

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Bald sollen die Zeiten vorbei sein, in denen man bei einer Verkehrskontrolle die Brieftasche zücken muss, um den Führerschein zu suchen. Dank der ID Austria soll ab Sommer 2022 ein Griff zum Smartphone reichen, verspricht das Wirtschaftsministerium. Diese wird als Nachfolger der Handysignatur angepriesen – natürlich mit attraktiven Zusatzfunktionen. Neben dem Log-in bei Diensten wie Finanz Online und der Möglichkeit, Dokumente digital zu signieren, führt sie eine E-ID, also eine digitale Identität ein. Dank EU-weiter Anerkennung kann man diese auch im Ausland verwenden.

Möglich macht das die sogenannte E-IDAS-Verordnung, mit der die EU bereits 2014 einen Rechtsrahmen für elektronische Transaktionen innerhalb der Union geschaffen hat. Konkret heißt das: Wenn Österreich einen digitalen Ausweis anbietet, kann er auch für behördliche Services anderer Mitgliedsstaaten genutzt werden.

Mangelnder Erfolg

Obwohl das gerade für jene Menschen interessant sein könnte, die in einem anderen EU-Staat leben und zum Beispiel ihren Wohnsitz ummelden wollen, scheint die Nutzerbasis derzeit nicht sehr groß zu sein. Einerseits könnte das an den nonexistenten Werbemaßnahmen liegen. Andererseits dürfte die beschränkte Anzahl von Anwendungsfällen kein unwichtiger Faktor sein.

Dieser Tatsache scheint sich auch die EU-Kommission bewusst zu sein, weshalb sie vergangenen Juni einen Vorschlag zur Novellierung der E-IDAS-Verordnung vorlegte. Mit dieser soll in den kommenden Jahren grenzüberschreitend das umgesetzt werden, was für Österreicherinnen und Österreicher mit der ID Austria schon ab Sommer Realität wird: ein digitaler Ausweis, der neben Behördengängen auch ermöglichen soll, sich gegenüber Privatunternehmen zu identifizieren. Sei es für die Buchung eines Hotelzimmers, die Reservierung eines Mietwagens oder die Inskription an einer ausländischen Universität.

Gegengewicht zu den Tech-Giganten

Mitgliedsstaaten sollen deshalb verpflichtet werden, sogenannte Europäische Geldbörsen für digitale Identitäten – also eine staatliche Wallet-App – anzubieten. In diesen können dann Ausweisdokumente wie der Reisepass und Führerschein gespeichert werden, aber auch der Nachweis eines Universitätsabschlusses. Darüber hinaus soll die Reform "ein Gegengewicht zu den weitverbreiteten Anmeldesystemen von Google, Facebook und Apple bilden", schreibt die Grundrechtsorganisation EDRi. Zahlreiche Websites und Onlinedienste bieten derzeit die Möglichkeit, sich mit den Kontodaten anzumelden, die man bereits bei den Konzernen hinterlegt hat. Alternativ sollen dafür künftig die ID Austria oder auch die E-ID der EU genutzt werden können. Ein Umstand, den Datenschützer aufs Schärfste kritisieren.

Letztere sehe derzeit nämlich vor, dass Mitgliedsstaaten "jede Person mit einer alphanumerischen Zeichenkette eindeutig" identifizieren müssten, heißt es in einem EDRi-Bericht. Unternehmen wie Facebook würden nur darauf warten, "den Identitäten ihrer Nutzer eine solche offizielle, eindeutige und lebenslange Kennung hinzuzufügen".

Dieser Kritik schließt sich auch der österreichische Datenschützer Thomas Lohninger an. Den Userinnen würde es kaum Vorteile bringen, dass sich Privatunternehmen für die ID Austria registrieren können. Diesen biete es hingegen "einen billigen Weg, die Kunden zu identifizieren", sagt er gegenüber dem STANDARD. Außerdem solle zentral nachverfolgt werden, wann und wofür man sich digital ausweist. Sei es der Kauf von Zigaretten oder die Anmeldung bei Twitter.

Mögliche Auswirkungen ...

Diesen Sicherheitsbedenken entgegnet das Wirtschaftsministerium, dass sich teilnehmende Unternehmen einer Akkreditierung unterziehen müssen. Dabei würde "den datenschutzrechtlichen Anforderungen höchster Stellenwert beigemessen" werden. Außerdem müssten Betroffene in jede Datenübermittlung aus dem System der ID Austria einzeln einwilligen.

Inwiefern sich die geplante E-ID der EU tatsächlich auf die ID Austria auswirken wird, kann derzeit nicht gesagt werden. Ebenso wenig, ob die zahlreichen Bedenken sich im finalen Entwurf niederschlagen werden. Laut Lohninger sei es jedoch möglich, dass das österreichische System schon mit seiner Einführung veraltet sei, da sich mit der E-IDAS-Novelle auch der Rechtsrahmen verändern könnte. Laut dem Ministerium sei das Ergebnis der EU-Verhandlungen jedoch schwierig abzuschätzen.

... und ein unklares Ergebnis

Noch bis Juni können im EU-Parlament Änderungsvorschläge eingebracht werden, vor September dürfte es also kaum zu einer Abstimmung kommen. Jedoch sei die europäische E-ID als "Ergänzung zu den nationalen Ausweisdiensten" gedacht, sagt ein Sprecher des EUParlaments gegenüber dem STANDARD. Diese sollen weder ersetzt noch beeinträchtigt werden. Ein gutes Zeichen für die ID Austria. Immerhin soll diese bereits in wenigen Monaten verfügbar sein. (Mickey Manakas, 1.4.2022)