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Sopranistin Anna Netrebko hat den Krieg gegen die Ukraine verurteilt und möchte ab Mai zurück auf Europas Konzertbühnen.

AP / Luca Bruno

Gehört Dirigent Valery Gergiev zu den schweigsamen Musikern, was die Distanzierung vom Ukraine-Krieg und von dessen Initiator Wladimir Putin anbelangt, so hat Anna Netrebko nun wieder etwas gesagt. Es ist ein später erster Schritt einer überfälligen Abgrenzung. In einem Statement verurteilte sie "den Krieg gegen die Ukraine". Etwas Einsicht spricht auch aus weiteren Worten: "Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten", so die Starsopranistin.

Nun, was die Vergangenheit anbelangt, kann manches schwer missinterpretiert werden. Sie, die Putin in Wahlkämpfen unterstützte, hat Sympathie für die prorussischen Separatisten in der Ostukraine gezeigt. Das Posieren vor deren Flagge und mit ihrer politischen Führung kann schwer anders gedeutet werden.

O Vaterland

Auch ihre Statements nach Kriegsbeginn blieben unklar. Netrebko und ihr Ehemann, Tenor Yusif Eyvazov, wollten nicht gezwungen werden, "ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen". In einem Statement hat Netrebko danach zwar Russland aufgefordert, "diesen Krieg jetzt zu beenden". Die Worte wurden jedoch schnell gelöscht, wie auch jene, mit denen sie die Medien beschimpfte.

Was sie nun zu dieser Distanzierung veranlasst hat, ist schwer zu sagen, ökonomische Erwägungen könnten eine Rolle spielen: Die Berliner Agentur Centre Stage Artist hat sich jedenfalls von Netrebko getrennt. Diese Firma ist zudem ein Tochterunternehmen des Musikmultis Universal, zu dem auch Netrebkos Plattenfirma Deutsche Grammophon gehört. Und die hat angekündigt, keine weiteren Produktionen von Netrebko auf den Markt zu bringen. Auch Konzert absagen wären ab Kriegsbeginn wohl zuhauf gefolgt. Diesen ist Netrebko – angesichts der Skepsis westlicher Institutionen wie der Mailänder Scala – zuvorgekommen, indem sie eine Auftrittspause einlegte.

New Yorker Met will nicht

Bis auf Nikolaus Bachler, den Chef der Salzburger Osterfestspiele, der Netrebko engagieren würde, war von Einladungen nichts zu vernehmen; nach dem neuesten Statement ist ebenfalls kein Jubel ausgebrochen. Auch der Chef der Metropolitan Opera Peter Gelb ist noch nicht überzeugt; die Beziehungen zu Netrebko will er nach wie vor nicht wiederaufnehmen. Erst wenn Netrebko zeige, dass sie sich "ernsthaft, komplett und langfristig von Putin distanziert hat, wäre ich zu einer Unterhaltung bereit", so Gelb.

Klar ist: Wer sich bisher nicht als Regimefreund betätigt hat, von dem ist kein Gesinnungstest zu verlangen. Wer durch sein Verhalten, aus welchen naiven Gründen auch immer, ein Naheverhältnis zur Politik Putins zeigte, kann jedoch nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Auch nicht Netrebko. Sollte sie sich außerstande sehen, noch deutlicher auf Distanz zu gehen, weil sie so ihr Umfeld in Russland in Gefahr bringen könnte, wäre es besser vorerst nicht wieder aufzutreten. Arien durch ihre Jahrhundertstimme vermittelt zu bekommen, während Bomben auf ukrainische Städte herabsausen, scheint doch eher unvorstellbar. Außer es handelt sich um ein auf die spezielle Situation emphatisch abgestimmtes Programm. (Ljubiša Tošić, 31.3.2022)