Eno Williams und ihre Ibibio Sound Machine.

Foto: Merge

So wie Sängerin Eno Williams den Schutz vor dem Bösen beschwört – Protection from Evil –, wäre es nicht verwunderlich, wenn beim Exorzisten ums Eck das Telefon läuten würde: "Ja, es ist dringend – das Weihwasser und den Holzpfahl nicht vergessen!"

Aber Besessenheit war in der Kunst noch selten ein Schaden. Und die Ibibio Sound Machine gibt sich gleich darauf ohnehin wieder gesittet. Wobei der vielköpfigen Multikulti-Gruppe aus London eine gewisse Grundaufregung ins Wesen eingeschrieben ist.

Schließlich spielt die seit 2013 bestehende Formation eine Mischung aus Elektronik und (west)afrikanischem Funk, zappelt also gewaltig und umarmt dabei einiges.

Ästhetisch verfängt die Maschine auf ihrem neuen, insgesamt bereits vierten Album mit dem Titel Electricity über weite Strecken in den 1980ern, was sich in einer Geräuschkulisse niederschlägt, die zwischen analogem Flipperautomaten und ersten digitalen Spielautomaten wie Space Invaders oder Pac-Man verzückt zuckt.

Freiwillige Selbstkontrolle

Das liest sich abschreckender, als es klingt, denn die Dosierung bestimmt die Kunst. Zwar ist die Ibibio Sound Machine schon ob ihrer personellen Größe von bis zu zehn Personen einer gewissen Erregung verpflichtet, so viele Leute müssen im Studio und auf der Bühne ja beschäftigt werden, gleichzeitig herrscht so etwas wie freiwillige Selbstkontrolle. Denn die Sound Machine bezieht bei strengen Ästheten wie Kraftwerk oder Giorgio Moroder Inspiration.

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Das beschert der Musik eine gewisse Zeitlosigkeit, im Jetzt verankert ist sie nebst der Eigenleistung durch die Hereinnahme von Produzenten wie Al Doyle oder Joe Goddard von den Denker-Tänzern von Hot Chip, die gleich neben dem Exorzisten wohnen und der Musik eine Club-Affinität verleihen, wie sie auch das LCD Soundsystem hat. So entsteht ein im elektronischen Funk verwurzelter Sound, der sich in der (seltenen) Ballade ebenso ergeht wie in schweißtreibenden Bekenntnissen profaner Natur. Denn Funk will natürlich immer Sex. (Karl Fluch, 31.3.2022)