Augen auf, Handy ein – für rund ein Drittel der Menschen in Österreich beginnt der Tag mit einem Blick auf das Smartphonedisplay. Im Laufe des Tages sammeln sich pro Person durchschnittlich 85 Minuten an, die mit sozialen Medien verbracht werden. Dabei lassen sich Instagram, Tiktok und Co zwar kostenlos nutzen – sind aber trotzdem ein Milliardengeschäft. Geld verdienen die Internetkonzerne vor allem durch OnlineWerbung, ein Markt, der inzwischen 500 Milliarden US-Dollar schwer ist.

Dass sich mit Anzeigen im Netz so viel Geld verdienen lässt, liegt vor allem an den Spuren, die wir beim Surfen in den sozialen Netzwerken hinterlassen. Jeder Aufruf, Swipe und Like generiert Daten, auf Basis derer sich wiederum personalisierte Werbekampagnen ausspielen lassen. Daten gegen Service lautet seit jeher das Tauschgeschäft im Social-Media-Business – doch ist das für die User noch ein gutes Geschäft?

IT-Konzerne verdienen mit Userdaten gutes Geld.
Foto: Fatih Aydogdu

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Weil wir Internetservices immer mehr über uns anvertrauen, steht der Nutzen, also die kostenlose Verwendung eines Dienstes, schon längst nicht mehr im Verhältnis zu dem Preis, den wir dafür bezahlen, sagen viele. Eine Handvoll Initiativen fordert daher, dass Google, Meta, Amazon und Co uns für die Daten, die wir den Konzernen bereitwillig geschenkt haben, bezahlen sollten. Angestoßen hat diese Debatte wohl der Informatiker und Virtual-Reality-Pionier Jaron Lanier. Aus einer lässig anmutenden Start-up-Kultur hätten sich die IT-Konzerne zu einer "Manipulationswirtschaft" entwickelt – für Lanier ein "tragischer globaler Fehler".

Um diese Entwicklung umzukehren, schlägt er einerseits vor, dass wir für die Nutzung von Social Media bezahlen sollten. "Oft werden Dinge besser, wenn man für sie bezahlt", sagte Lanier bei einem Ted-Talk – und zieht Streamingdienstleister wie Netflix als Beispiel hinzu, die die früher eher belächelte TV-Serie als Kulturform in neue Höhen katapultiert haben.

Privatsphäre gegen Geld

Für die Daten, die die Nutzerinnen und Nutzer generieren, sollen diese wiederum Geld bekommen – schließlich würden diese oft zum Training von KI-Algorithmen verwendet, welche menschliche Arbeit überflüssig machen würden.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Andrew Yang, ein aussichtsloser Kandidat bei der US-Präsidentschaftswahl 2020, der vor allem mit der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen auf sich aufmerksam machte. Mit seinem Data Dividend Project will er den US-Amerikanern aber einen weiteren Einkommensstrom bescheren: Dieses will nämlich Social-Media-Konzerne gesetzlich dazu verpflichten, User am Umsatz, den diese mit ihren Usern machen, zu beteiligen. Für den revolutionären Tag, an dem die erste Überweisung getätigt wird, sollen Interessierte schon mal ihre Paypal-Adresse dalassen.

Dabei wirbt das Data Dividend Project vor allem um Nutzer in Kalifornien, das seit einigen Jahren bereits ein strenges Datenschutzgesetz nach dem Vorbild der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat, die als Meilenstein im Datenschutz gilt.

Markt für DSGVO-Auszüge

Ironischerweise hat aber genau diese zu ganz neuen Auswüchsen des Datenhandels geführt. Denn laut DSGVO müssen Nutzer bei jedem Unternehmen ihre dort gespeicherten Daten anfordern können. Genau diesen komprimierten Datenschatz wollen sich Unternehmen wie Clture zunutze machen. Die persönlichen Daten, die man sich bei Netflix, Youtube oder Uber herunterladen kann, lassen sich bei dem Start-up zu Geld machen. Bis zu ein paar Hundert Dollar pro Quartal sollen dabei für User herausspringen, die dort ihren DSGVO-Auszug hochladen.

Doch würde man die Probleme, die die Übermacht der IT-Konzerne unweigerlich aufwirft, überhaupt lösen, wenn man User für ihre Daten systematisch entlohnen würde? Thomas Lohninger von der Grundrechte-NGO Epicenter Works ist kritisch. "Datenschutz könnte zu einer Preisfrage werden", sagt er zum STANDARD. Das sei, wenn auch in geringerem Ausmaß, schon heute so: Wer es sich leisten kann, verwendet einen kostenpflichtigen E-Mail-Anbieter, der auf die Privatsphäre achtet, etwa Protonmail. Der große Rest greift auf kostenlose Services wie Gmail zurück, die sämtliche Nachrichten automatisiert scannen und auswerten – was laut Lohninger übrigens auch grundrechtswidrig sei.

Reich wird man nicht

Wer nun fordert, dass Unternehmen für private Daten bezahlen müssen, blende die Machtverhältnisse in der Gesellschaft aus. Wer Geld geboten bekommt, um sein Grundrecht auf Privatsphäre aufzugeben, trifft möglicherweise keine wirklich freie Entscheidung. Und auch wenn die IT-Konzerne durch die Nutzung der Daten Milliarden einfahren, sind diese erst in der Masse wertvoll. Überleben könnte man vom Verkauf der eigenen Daten jedenfalls nicht.

Auch an der Grundproblematik, dass einige wenige Konzerne das Internet dominieren, würde eine Datendividende wohl nichts ändern. Der New Yorker Immobilieninvestor Frank McCourt will deshalb gleich das ganze Internet umkrempeln. 250 Millionen US-Dollar hat er in die Hand genommen, um das Project Liberty zu gründen. Die Organisation will nichts weniger als ein neues, gerechteres Internet bauen.

Möglich werden soll das durch die Blockchain. Daten sollen nicht mehr an einem Ort, sondern dezentral gespeichert werden. User könnten stets selbst kontrollieren, welche Informationen sie freigeben, und könnten diese auch jederzeit wieder zurückziehen – oder eben Geld dafür verlangen. Dazu hat das Projekt das Webprotokoll DSNP entwickelt, das die Nachfolge vom verbreiteten HTTP antreten soll. Der Unterschied: Privatsphäre ist bei Ersterem bereits fix eingebaut. Damit sich das neue, dezentrale Web durchsetzt, müsste die Technologie von den IT-Riesen erst adaptiert werden – und davon sind Meta, Amazon und Co derzeit noch weit entfernt. (Philip Pramer, 3.4.2022)