Depardieu mit Putin im Jahr 2013 – das ist auch jenes Jahr, in dem der Franzose die russische Staatsbürgerschaft erhielt.

Foto: AFP

Es war eine Kehrtwende in letzter Minute – kurz bevor sich der Vorhang hob. Am Freitagabend trat Gérard Depardieu auf eine Pariser Bühne, um Chansons der Sängerin Barbara zu singen. Die drei Soireen im Theater der Champs Élysées galten als Event: Sie leben vom Kontrast eines gerne groben, 140 Kilo schweren Kinomonsters, das die zarten, hochsensiblen Lieder der 1997 verstorbenen Chansonière wiedergibt und dabei höchste Stimmlagen erreicht.

Am Vorabend sah sich Depardieu allerdings noch zu einer politischen Lagebereinigung veranlasst. Der Schulterklopffreund des Kreml-Herrschers verurteilte in einem offiziellen Communiqué die "verrückten, inakzeptablen Abwege von Leadern wie Wladimir Putin". Das russische Volk sei dafür "nicht verantwortlich", betont der 73-jährige Franzose, der von Putin im Jahr 2015 persönlich die russische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Die Einnahmen aus den drei Konzerten werde er "vollumfänglich den ukrainischen Opfern dieses tragischen Bruderkrieges überweisen", stellte er klar.

Kehrtwende

Das klingt nun ziemlich neu. Früher hatte das Enfant terrible des französischen Films unter anderem erklärt, die Ukraine sei "ein Teil von Russland". Vor einer Woche stellte er sich in der rechten Zeitschrift "Eléments" noch dezidiert hinter den russischen Präsidenten. "Ich liebe Putin", erklärte er in eifriger Übernahme russischer Propaganda: "Man sagt von ihm, dass er Söldner habe, die Gruppe Wagner. In den USA gibt es allerdings einen ganzen Haufen von Privatarmeen – und auch in der Ukraine, dort mit SS-Totenköpfen und Hakenkreuzen." Die amerikanischen "Cowboys" hätten als Präsidenten eine "Mumie", meinte Depardieu, der mittlerweile auch die Staatszugehörigkeit Dubais besitzt und eine fortgeschrittene Vergewaltigungsklage am Hals hat.

Dass er nun plötzlich an die notleidenden Ukrainer denkt, klingt ein wenig nach einer PR-Agentur, die sich vor einem halbleeren Theatersaal fürchtet, weil der Hauptdarsteller einen Kriegstreiber unterstützt. Barbara sang dagegen in ihrem berühmtesten Chanson "Göttingen" auf Deutsch: "Lasst diese Zeit nie wiederkehren, nie mehr Hass die Welt zerstören. Doch sollten wieder Waffen sprechen, würde es mir das Herz zerbrechen. Wer weiß, was dann noch übrig bliebe von Göttingen."

Jetzt fragt sich Frankreich, ob Depardieu diese Ode an die deutsch-französische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg auf die heutigen Kriegszeiten überträgt. Er könnte ja "Göttingen" durch "Mariupol" ersetzen.

Kreml will Depardieu aufklären

Auch in Moskau blieb die Kritik von Depardieu nicht unbemerkt. Sprecher Dmitri Peskow sagte am Freitag, der Kreml sei bereit, dem Schauspieler die Situation in der Ukraine zu erklären. Er habe die Lage wohl missverstanden. (Stefan Brändle aus Paris, 1.4.2022)