Noch vor wenigen Monaten schätzten die klugen Köpfe der Wirtschaftsforschung die Inflation als kurzfristiges Phänomen ein. Einen Kriegsausbruch später sieht die Welt das anders, denn mit der Teuerung geht es stetig nach oben. In Österreich dürfte die Inflationsrate im März laut Schnellschätzung der Statistik Austria mit 6,8 Prozent den höchsten Wert seit 1981 erreicht haben. Haupttreiber bleiben die Energiepreise.

Am Freitag kündigte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im Rahmen des zweiten Energiepakets Entlastungen für Unternehmen an, da vor allem die gestiegenen Kosten bei Strom, Gas und Treibstoff eine große Belastung darstellen. Firmen können heuer Vorauszahlungen der Einkommen- und Körperschaftssteuer auf die Hälfte des vorgeschriebenen Betrags herabsetzen. Das sichere Liquidität in Höhe von 350 Millionen Euro. Bezugsberechtigt ist, wer im Betrieb viel Energie braucht oder glaubhaft machen kann, dass der Energiekostenanteil mehr als drei Prozent seiner Gesamtkosten beträgt.

Drohende Stagflation

Neben der menschlichen Katastrophe bringt der Krieg in der Ukraine die Wirtschaft in ordentliche Schieflage. Immer öfter kursiert seither der Terminus Stagflation. Ein Zustand, der wirtschaftspolitisch eine nur schwer überwindbare Hürde darstellt und meist durch Rohstoffknappheit ausgelöst wird. Der Begriff Stagflation stammt aus der Zeit des Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren und setzt sich aus Stagnation (kein Wachstum) und Inflation zusammen.

Sprich die Wirtschaft tritt auf der Stelle, und die Preise steigen – das Phänomen ist selten, da üblicherweise die Inflation während eines Booms anzieht und wieder abnimmt, wenn es mit der Wirtschaft bergab geht. In der Regel bedeutet eine Stagflation viele Arbeitslose und dass Konsumentinnen und Konsumenten mit gleichbleibenden Gehältern höhere Preise bewältigen müssen. Es droht die Rezession.

Möglicher Gaslieferstopp

"Am Arbeitsmarkt sieht es momentan noch gut aus, auch wenn die Wachstumsprognosen zurückgeschraubt wurden", sagt der Chefökonom vom gewerkschaftsnahen Momentum-Institut, Oliver Picek. "Wir profitieren noch vom Aufschwung aus dem Vorjahr." Die weitere Entwicklung hänge vom möglichen Gaslieferstopp ab. Er glaube jedoch nicht, dass es dazu komme. "Europa hat keine Chance, schnell genug auf Alternativen auszuweichen, und für Wladimir Putin ist das Gas eine der wichtigsten Einnahmequellen."

Käme es nun doch zu einer Stagflation, bringt das die Wirtschaftspolitik in eine Zwickmühle, da man nicht wie in einer "normalen" Krise gegensteuern kann. Senkt die Regierung Steuern und legt Konjunkturpakete auf, befeuert das die Inflation. Auf der anderen Seite ist es die Aufgabe von Notenbanken, für Preisstabilität zu sorgen. Hebt also die Europäische Zentralbank (EZB) – wie bereits länger gefordert – den Leitzins, kann das das Wachstum schwächen.

Sprit- und Energiepreise bedrohen heimische Unternehmen. Die Regierung steuert gegen und verspricht mit neuen Maßnahmen, 350 Millionen Euro an Liquidität zu sichern.
Foto: IMAGO/Marius Schwarz

Zinsen erhöhen

"Mittlerweile ist klar, dass die Inflation von Dauer sein wird, und auch bei einem baldigen Kriegsende wird enormer wirtschaftlicher Schaden bleiben", sagt die Ökonomin Heike Lehner vom unternehmernahen Thinktank Agenda Austria. Deswegen müsse die EZB möglichst schnell die Zinsen erhöhen und die Konjunktur den Regierungen überlassen. "Hält man die Zinsen nur niedrig, um verschuldeten Staaten zu helfen, agiert die EZB nicht neutral und riskiert eine gefährliche Abhängigkeit."

Sowohl Lehner als auch Picek meinen, dass man einkommensschwache Bevölkerungsschichten in der Situation nicht alleinlassen kann. Doch die Maßnahmen sollten zielgerichtet und nicht mit der Gießkanne verteilt werden. Unangenehm sei die Situation auch für Besserverdiener, aber nicht existenzgefährdend.

Fest steht, die Entwicklung hängt von der Kriegsdauer ab. Die Gefahr einer schweren Rezession dürfte nicht so groß sein wie vor 50 Jahren, noch gibt es am Arbeitsmarkt viele offene Stellen. Entspannt sich die geopolitische Lage, kann das Wachstum schneller anziehen, die Preise sinken und auch die Inflation wieder sinken. (Andreas Danzer, 2.4.2022)