Bittere Pille: Trotz Vertrages darf die designierte Leiterin der Medizinmarktaufsicht den Job nicht antreten. Dafür gibt es gute Gründe

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Johannes Rauch hat offenbar ein Machtwort gesprochen. Formell gar nicht zuständig, warf der Gesundheitsminister sein Gewicht in die Waagschale, um eine hochproblematische Postenbesetzung zu verhindern. Helga Tieben, bisher Direktorin im Verband der pharmazeutischen Industrie, wird künftig doch nicht die staatliche Medizinmarktaufsicht leiten. Trotz längst unterzeichneten Vertrages schreibt die Gesundheitsagentur Ages die Stelle nun neu aus.

Dass sich Tieben über den Laufpass unmittelbar vor Dienstantritt "fassungslos" zeigt, ist aus ihrer Sicht verständlich. Eine Klage wäre ein logischer Schritt.

Dennoch hat Rauch richtig gehandelt. Im Gegensatz zum reichlich unpolitischen Vorgänger Wolfgang Mückstein beweist der neue Gesundheitsminister ein Sensorium für Unvereinbarkeiten. Mit auch nur ein bisschen Gespür lässt sich erkennen, dass eine Person wie Tieben ungeachtet aller persönlichen Fähigkeiten für den Chefposten in der Medizinmarktaufsicht à priori eine Fehlbesetzung ist. Wer eben noch dafür lobbyiert hat, dass die strengen Regeln beim Marktzugang aufgeweicht werden, hat an der Spitze jener Einrichtung, die über die über Zulassung, Qualität und Sicherheit von Medikamenten zu wachen hat, nichts verloren.

Futter für Verschwörungstheoretiker

Alles andere wäre nicht nur Wasser auf den Mühlen jener Verschwörungstheoretiker, die hinter der Covid-Impfung und anderen pharmazeutischen Erfolgsgeschichten bloß ein dunkles Werk der Pillenindustrie vermuten. Auch grundvernünftige, aber kritische Konsumenten hätten jeden Grund zum Misstrauen. Im Fall Tiebens ließe sich dem Verdacht von der Unterwanderung öffentlicher Kontrollinstanzen schwer widersprechen.

Unfassbar, dass Mückstein diesen Interessenskonflikt nicht erkennen wollte. Der frühere Minister hätte einschreiten müssen, solange dies noch leichter möglich war.

Damit soll nicht unterstellt werden, dass Tieben im neuen Job per se die Agenda ihrer früheren Brötchengeber verfolgt hätte. Doch manche Rollenwechsel müssen aus Gründen der politischen Hygiene prinzipiell ausgeschlossen sein. Sonst ist die Glaubwürdigkeit staatlicher Institutionen dahin. (Gerald John, 2.4.2022)