Die Abschnitte der Promenade im zweiten Bezirk sollen Straßenschilder erhalten.

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An sieben Wiener Bezirken fließt der Donaukanal vorbei. Die Abschnitte der Promenade im zweiten Bezirk sollen nun einem Beschluss des Gemeinderats zufolge Straßenschilder erhalten – und zwar ausschließlich solche mit Frauennamen. Verkehrsflächen tragen historisch gesehen immer noch größtenteils Männernamen. So war im 20. Jahrhundert in der Leopoldstadt keine einzige Straße, Brücke oder Gasse, kein Steg oder Platz nach einer Frau benannt. Auf Initiative der ehemaligen Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) erarbeiteten ab 2018 Grüne und SPÖ Vorschläge für Benennungen, die allmählich realisiert werden.

Auch für zwei Promenadenabschnitte auf der Seite des neunten Bezirks liegen Anträge vor. Der Prozess für solche Benennungen ist folgender: Ideen werden von der Bezirksvorstehung eingebracht, in deren Zuständigkeitsbereich die Fläche fällt. Sie gelangen dann in die Kulturabteilung der Stadt, in der Nachforschungen begonnen werden. Nächste Station ist der vom Gemeinderat eingesetzte Unterausschuss für Verkehrsflächenbenennung. Der Ausschuss für Kultur und Wissenschaft segnet den Beschluss am Ende formal ab.

Die neuen Straßennamen am Donaukanal im Überblick.
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Adele Jellinek

(1890–1943) war eine jüdische Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin. 1943 wurde sie ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie wenig später starb.

Margit Czernetz

(1910–1996) war Widerstandskämpferin, Politikerin und Krankenpflegerin. Die Jüdin war für die Sozialdemokraten im Untergrund tätig, floh 1938 nach London.

Friedl Dicker-Brandeis

(1898–1944) war bildende Künstlerin, Architektin und Kunstpädagogin. Die Jüdin wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, 1944 in Auschwitz ermordet.

Vilma Steindling

(1919–1989) emigrierte 1937 nach Paris und engagierte sich in der Résistance. Die Sozialarbeiterin jüdischen Glaubens wurde ins KZ Auschwitz deportiert, sie überlebte.

Olga Misař

(1876–1950) war Friedens- und Frauenrechtsaktivistin, Journalistin und Autorin. Sie organisierte Antikriegskundgebungen mit, 1939 floh sie nach England.

Gisela Werbezirk

(1875–1956) war Schauspielerin und Kabarettistin. Sie galt als Publikumsliebling an der Rolandbühne im Prater. 1938 emigrierte sie in die USA.

Henriette Fahrbach

(1851–1923) war Musikerin, Komponistin und Kapellmeisterin eines Frauenorchesters. Mit ihrem Mann betrieb sie das Kaffeehaus Grand Preis in der Leopoldstadt.

Emilie Turecek

(1846–1889) trat als Sängerin bei Fiaker- und Wäschermädelbällen auf, war bekannt unter dem Künstlernamen Fiakermilli und für das Tragen von Hosen.

Henriette Willardt

(1866–1923) war Raubtierbändigerin und betrieb eine erfolgreiche Schaubühne im Prater. Sie tourte als "Miss Senide" mit ihren Raubtiernummern durch Europa.

Lucie Goldner

(1918–2000) war Schwimmerin und boykottierte 1935 die Olympischen Spiele in Berlin. Sie floh nach dem "Anschluss" Österreichs nach England.

Karoline Tinter

(1881–1943) war Grafikerin. Die Jüdin wurde von ihrem letzten Wohnsitz in der Seegasse nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. (Anna Giulia Fink, 4.4.2022)