Die Ukrainerinnen Uliana, Liuba und Lisa (von rechts) mit ihren Quartiergebern und ihrer neuen Familie, den Langeders.

Foto: HERMANN WAKOLBINGER

Linz – Liuba Buschuiewa sitzt an dem großen Esstisch. Ihr Blick schweift durch die breite Glasfront des modernen Hauses hinaus auf die Mühlviertler Hügellandschaft. Bei genauem Blick lässt sich ein vorsichtiges Lächeln im Gesicht der 38-jährigen Psychologin erkennen. Es ist einer der raren Momente, in denen das in diesen Tagen so selten gewordene Gefühl von Glück die Angst verdrängt. Es ist der Moment, auf den Liuba jeden Tag sehnsüchtig wartet. Auf diese eine so wichtige Nachricht aus der Heimat: "Es geht mir gut, Jura."

Jura ist Liubas Ehemann – und der Papa der fünfjährigen Lisa. Es war ein glückliches Familienleben in der südukrainischen Stadt Mykolajiw. Bis quasi über der Nacht der Krieg kam und die Idylle zerriss. Während Papa Jura sein Land verteidigen muss, hat sich Liuba entschlossen, mit Lisa und ihrer besten Freundin Uliana Balakyrewa die Ukraine zu verlassen. Angekommen sind die Vertriebenen letztlich dann in Schedlberg, einem kleinen Ortsteil der Mühlviertler Gemeinde Tragwein.

Spontane Entscheidung

Oder exakter: im Haus der Familie Langeder. Spontan haben sich nämlich Silke und Heinz Langeder dazu entschlossen, mehr tun zu wollen, als nur zu spenden. Die beiden Kinder Lena-Maria (elf) und Jakob (sechs) zeigten sich nach einer kurzen Besprechung vom temporären Familienzuwachs begeistert – und man nahm Kontakt mit einer bekannten Flüchtlingshelferin auf, um entsprechendes Interesse kundzutun.

Deutlich erleichtert haben das Vorhaben die räumlichen Gegebenheiten im Hause Langeder. Im Untergeschoß befindet sich eine rund 60 Quadratmeter große Einliegerwohnung. Küche, Essbereich, Bad, Schlafzimmer – und ein eigener Eingang.

"Die Wohnung macht natürlich vieles leichter. Aber wir haben uns im Vorfeld gar nicht so viel Gedanken gemacht. Schaffen wir das? Wie wird das Zusammenleben? Wer kommt überhaupt zu uns? Wird es gar Probleme geben? All diese Dinge waren eigentlich nicht groß ein Thema. Es war eine Herzensentscheidung von uns. Und wenn du mit dem Herzen entscheidest, kann es nur gut werden", ist Heinz Langeder überzeugt. Ehefrau Silke pflichtet ihrem Mann bei, wirft aber ein, dass man eigentlich auch gar nicht die Zeit gehabt habe, "groß über alle möglichen Eventualitäten nachzudenken".

Anruf zwei Tage nach Meldung

Bereits zwei Tage nachdem das Angebot einer Unterbringungsmöglichkeit gelegt worden war, meldete sich die Flüchtlinskoordinatorin bei Familie Langeder. "Eine Mama und ihre fünfjährige Tochter – passt das für euch? Und wir haben spontan zugesagt", erzählt die ORF-Moderatorin.

Wenige Tage später kommen Liuba und Lisa am Linzer Hauptbahnhof an. "Es war ein unglaublicher emotionaler Moment. Du fährst am Bahnhof die Rolltreppe hinunter und denkst die ganze Zeit daran, wer jetzt gleich vor dir stehen wird", schildert die 45-Jährige den Augenblick des ersten Treffens.

Doch in Schedlberg scheint die ungewöhnliche Familienzusammenführung geglückt zu sein. Zwei Wochen nach Liubas und Lisas Ankunft ist dann noch Freundin Uliana bei den Langeders eingezogen. "Die erste Zeit war natürlich geprägt von unzähligen Behördengängen", erzählt Silke Langeder. Die sprachliche Barriere wird mit einer speziellen Übersetzungs-App genommen. Parallel lernt eine Bekannte mit den ukrainischen Neo-Mühlviertlerinnen mehrmals pro Woche Deutsch. Die kleine Lisa fährt mittlerweile täglich mit dem Schulbus in den Tragweiner Kindergarten.

Sieben statt vier

Den Alltag selbst würde man ohne zwischenmenschliche Probleme meistern. Silke Langeder: "Liuba und Uliana sind sehr höfliche, zurückhaltende Menschen. Da platzt keine so einfach bei uns ungefragt in den Wohnbereich. Wir reden uns immer zusammen. Manchmal koche ich halt jetzt für eine siebenköpfige Familie und wir essen gemeinsam. Und manchmal ist jeder für sich. Aber immer helfen wir zusammen, wenn es nötig ist."

Der Krieg in der Heimat und die Angst um die zurückgebliebene Familie ist aber natürlich allgegenwärtig. "Wir gehen oft gemeinsam spazieren und reden viel über die Situation in der Ukraine", erzählt Silke Langeder.

Liuba hat inzwischen gemeinsam mit Uliana das Übersetzungsprogramm am Handy aktiviert und rührt im selben Moment das Ehepaar Langeder zu Tränen: "Silke und Heinz haben uns nicht nur ihr Haus geöffnet, sondern vor allem ihre Herzen. Heinz spielt mit Lisa, als wäre sie seine Tochter. Wir sind unendlich dankbar und lieben unsere Familie." (Markus Rohrhofer, 4.4.2022)