Jene bei uns, die glaubten, China habe eine effiziente Staatsführung und mit Wladimir Putin würde es den Russen besser gehen, sind gerade recht still geworden. Autokratien entscheiden zwar schnell, aber auf lange Sicht selten intelligent.

Sind wir Europäer im Wettbewerb der Systeme jetzt wieder vorn? Können wir uns darauf verlassen, dass unsere Demokratie kommende Krisen besser bewältigen wird?

Ich bin skeptisch, denn gerade die Pandemiejahre haben gezeigt, woran es im Staat und in der Gesellschaft mangelt. Kurzfristiges Denken und Emotionalität bestimmen politisches Handeln. Den täglichen Kampf um Aufmerksamkeit im digitalen Raum zu gewinnen scheint wichtiger als nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Die Klimakrise wird uns mehr fordern als jede Pandemie. Sie lässt sich mit den Denkmustern des 20. Jahrhunderts nicht bewältigen. Weniger "Top-down", mehr "Bottom-up" ist gefragt. Derzeit schreiten wir ratlos in die Zukunft.

Die Klimakrise wird gemeinsame Lösungen benötigen.
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Vor diesem Hintergrund ist die Bildung von Bürgerräten als neue Form der Entscheidungsfindung ein kleiner Lichtblick. Per Los oder durch qualifizierte Zufallsauswahl eingeladene Bürgerinnen und Bürger beraten zentrale Zukunftsfragen und übernehmen abseits der Parteipolitik Verantwortung. Auch in Österreich tagt seit Anfang des Jahres erstmals ein Bürgerrat zu Fragen des Klimaschutzes. Das klingt langweilig? Ja, denn mit Bürgerräten ist es wie mit anderen besonderen Dingen im Leben: Wer sie nicht selbst erlebt, kann sich darunter schwer etwas vorstellen. Erst durchs Mitmachen wird es spannend.

Notwendige Transformation

Ins Gespräch kam der Klimarat zuletzt allerdings wegen einer intransparenten Auftragsvergabe durch das Bundesministerium für Klimaschutz. Das ist schade, denn dabei geht unter, mit welchem Engagement die über 90 ehrenamtlichen Mitglieder dort versuchen, Lösungen für die Klimakrise zu erarbeiten.

An je einem Wochenende im Monat ringen sie mit der Frage, wie die notwendige Transformation unseres Gesellschaftssystems gelingen könnte und wie viel Veränderung zumutbar ist. Die eingebundenen Wissenschafter sind gefordert, ihre Erkenntnisse so zu vermitteln, dass diese für jeden und jede verständlich sind. Ein seltener, aber sehr positiver Nebeneffekt, meine ich.

Ende Juni sollen konkrete Handlungsempfehlungen zum Klimaschutz präsentiert werden. Mit Blick auf abgeschlossene Bürgerräte in Frankreich, Deutschland und England ist anzunehmen, dass diese unkonventioneller und kreativer sein werden als die bisher von der Politik präsentierten Vorlagen. Vielleicht will sich die Bundesregierung deshalb nicht festlegen, was mit den Ergebnissen passieren soll.

Als Modell für zukunftsfähige Entscheidungsfindung hängt unser nationaler Klimarat in der Luft. Um erfolgreich zu wirken, muss das Gremium Teil des parlamentarischen Systems werden. Noch wichtiger wäre es, Bürgerräte auf Länder- und vor allem Gemeindeebene zu etablieren. Je mehr Menschen in die aktive Gestaltung ihrer Zukunft einbezogen werden, desto breiter wird Verantwortung geteilt und desto vielfältigere Lösungsansätze entstehen. Nur so können wir die enormen Komplexität der Klimakrise bewältigen. (Philippe Narval, 4.4.2022)