In Serbien wird sich wegen der Wahlen am Sonntag nichts ändern, denn das System Vučić, also die Fortschrittspartei des allgegenwärtigen Präsidenten, hat in den vergangenen zehn Jahren die Institutionen gekapert. Doch es gibt trotzdem eine Chance für Wandel. Denn Serbien könnte – falls dies von liberalen Kräften in der EU und den USA verstanden wird – aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine dazu gebracht werden, endlich seinen Schaukelkurs aufzugeben und sich vom Putin-Regime zu distanzieren, an das sich das Land gebunden hat.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic und russische Präsident Vladimir Putin.
Foto: imago images/SNA

Die serbische Ölindustrie NIS wurde nämlich 2008 an die russische Gazprom Neft verscherbelt; Belgrad sicherte sich damit das Veto Russlands gegen die Unabhängigkeit des Kosovo im UN-Sicherheitsrat. Es war ein miserabler Deal. Denn die 56 Prozent der NIS, die der Gazprom Neft gehören, waren viel mehr wert als die 400 Millionen Euro aus Moskau. Für Serbien ist die Fixierung auf den Kosovo zudem eine schwere politische Bürde, die das Land in der Vergangenheit gefangen hält.

Wegen der EU-Sanktionen wird es nun ab Mitte Mai keine Rohöllieferungen mehr durch die kroatische Pipeline Janaf zur NIS geben. Es könnte sein, dass Serbien deshalb die NIS nationalisieren muss. Es handelt sich um eine unbeabsichtigte sekundäre Folge der Sanktionen gegen Russland, die ein historisches Fenster öffnet. Denn wenn westliche Firmen statt der Gazprom Neft einsteigen, könnte Serbien seine Abhängigkeit vom Kreml verringern. Und die ist auch für Vučić gefährlich. (Adelheid Wölfl, 3.4.2022)