Erneuerbare Energieproduktion – wie hier im Windpark Storheia in Norwegen, der zu Europas größten Windanlagen an Land gehört – ist ein wesentliches Mittel, um Treibhausgasemissionen zu senken.
Foto: Jonathan Nackstrand / AFP

Es ist Zeit für die Notbremse: Die Abhängigkeit von russischem Gas kommt Europa nicht nur im Krieg in der Ukraine teuer zu stehen, sondern auch beim Thema Klimawandel, schreibt unter anderem Klimaschutzforscher Niklas Höhne in der "Zeit". Die Antworten dafür liegen bereits auf dem Tisch. Allerdings helfen umfangreiche wissenschaftliche Berichte wie der heute veröffentlichte Teilreport des Weltklimarats zur Minderung des Klimawandels, die notwendigen Strategien einzustufen. Wie werden wir von fossilen Energien unabhängig? Was bedeutet das für Landwirtschaft, Transport und Konsum? Und was kann natürliche und technologische CO2-Entnahme aus der Luft beitragen?

Heikle Themen, die auch für die bisher längste Bestätigungskonferenz in der 34-jährigen Geschichte des Klimarats sorgten. Nach mehr als zwei intensiven Wochen kamen die Verhandlungen erst am Montagmorgen zum Ende. Um Unmengen an Studien zusammenzufassen, arbeiteten 278 Autorinnen und Autoren diesen dritten Teilreport des sechsten IPCC-Sachstandsberichts aus. Für die Kurzform, die Zusammenfassung zur politischen Entscheidungsfindung, mussten die Abgesandten der 195 beteiligten Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung geben. Die gleiche Prozedur wie bei den vorigen Teilberichten, die sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Klimakrise und der Abfederung seiner Folgen befassten. Für viele gilt der aktuelle Teil aber als besonders wichtig, weil er aufzeigt, wie sich die globale Erwärmung und ihre schwerwiegenden Folgen noch eindämmen lassen.

Der Weltklimarat gibt im letzten Teilbericht bekannt, mit welchen Maßnahmen die Erderhitzung begrenzt werden kann? Eine Zusammenfassung in sieben Punkten
DER STANDARD

Klimapolitik an erster Stelle

Der Bericht liefert zunächst den erwarteten Dämpfer: Bei der Einschätzung, ob wir uns gerade auf einem guten Weg im Sinne des Pariser Klimaabkommens befinden, lautet die Antwort: Nein. Umso dringender ist es Fachleuten zufolge, Klimapolitik vorne anzustellen und nicht bei jeder andere akuten Krise das Ruder zulasten des Klimas herumzureißen. Denn eine nachhaltige Emissionsminderung in allen wirtschaftlichen Bereichen kann im Idealfall auch zur Lösung anderer gesellschaftlicher Probleme beitragen.

Nicht von ungefähr dürften auch gewisse Parallelen kommen, welche an die Eindämmung der Corona-Pandemie erinnern. Der Imperativ "flatten the curve", der zum Senken der Infektionszahlkurve aufruft, wird zu "flatten the climate curve": Steigende Emissionen und globale Durchschnittstemperaturen müssen gedrückt werden.

"Bei den Wegen in eine Welt, die die Klimaziele von Paris nicht gefährdet, sind die nächsten Jahre entscheidend", formulierte es Sabine Fuss, Professorin für nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Humboldt-Universität Berlin, die auch am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien forschte. Es geht also nicht wie bei Covid-19 um entscheidende Wochen, doch je länger massive Veränderungen hinausgezögert oder kurzfristig rückgängig gemacht werden, umso verheerender können die Konsequenzen ausfallen. Jedes Zehntel Grad Temperaturanstieg erhöht die Wahrscheinlichkeit für vermehrte und heftigere Extremwetterereignisse – bereits in naher Zukunft.

Unerwünschte Abhängigkeiten

Um das Ziel zu erreichen, müssten schon vor 2030 die Emissionen schnell und tiefgreifend gesenkt werden sowie die Welt in den nächsten 30 Jahren CO2-neutral werden, sagt Fuss: "Je mehr Zeit ohne handfesten Klimaschutz vergeht, desto schneller und intensiver müssen diese Minderungen ausfallen." Steigt der Gehalt der Treibhausgase 2050 global noch immer an, muss umso mehr CO2 der Atmosphäre entnommen werden: "Auch hier könnten ähnlich wie bei Öl und Gas unerwünschte Abhängigkeiten entstehen."

Die Prognosen im IPCC-Bericht zeichnen unterschiedliche Pfade, je nachdem, wie die Klimapolitik weltweit gestaltet wird. Mit den bisher implementierten Maßnahmen würde der Treibhausgasausstoß weiter deutlich steigen und bis Mitte des Jahrhunderts einen neuen Rekordwert erreichen. Werden die auf der vergangenen Klimakonferenz angekündigten Klimaziele bis 2030 von den einzelnen Staaten eingehalten, würde die Emissionen bis zu diesem Datum moderat, aber nicht ausreichend sinken. Umso stärker müsste die Reduktion in den darauffolgenden Jahrzehnten sein.

Insgesamt zeigen sich die Autorinnen und Autoren nicht sehr optimistisch, was die Wirkung der Klimaziele der einzelnen Staaten angeht: Diese werden "voraussichtlich" dazu führen, dass die Temperatur im globalen Mittel über 1,5 Grad Celsius steigt, es werde zudem schwierig, die Erwärmung nach 2030 auf 2 Grad zu begrenzen. Ein Abgesang auf das 1,5-Grad-Ziel sei der Bericht aber nicht per se, sagt Volker Krey vom IIASA, der als Leitautor am aktuellen Report mitwirkte: "Die Fachliteratur geht derzeit davon aus, dass es eine kurzfristige Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle geben wird."

Durch Negativemissionen sei es aber dennoch möglich, Ende des Jahrhunderts wieder zu diesem Schwellenwert zurückzukehren. "Um 1,5 Grad nicht stark zu überschreiten, würde es ein sofortiges und signifikantes Gegensteuern brauchen."

Was müssten wir konkret tun, um weniger Treibhausgase in die Atmosphäre zu bringen – oder um CO2 der Luft zu entziehen? Sieben Dinge, die das zusammenfassen – von den großen Stellschrauben in Politik und Wirtschaft bis hin zu individuellen Verhaltensänderungen.

1. Raus aus nicht nachhaltiger Energiegewinnung

Klar ist, dass die Energiegewinnung aus Kohle, Öl und Gas – also fossile Energie – keine Zukunft hat. Die Ressourcen sind nicht nur begrenzt vorhanden und haben deshalb ein Ablaufdatum, sie verursachen auch immer höhere Kosten und tragen natürlich massiv zum Treibhauseffekt bei. Dieser bringt Ökosysteme schneller aus dem Gleichgewicht, als diese sich erholen und anpassen können, und führt vielerorts zu stärkeren Extremen – also Phasen der Dürre, Hitze sowie intensive Niederschläge.

Der Temperaturanstieg kann mit den vorhandenen Technologien zumindest theoretisch noch auf 1,5 Grad Celsius begrenzt und damit die Erderhitzung eingedämmt werden. Der Plan vieler Regierungen sieht jedoch vor, noch im Jahr 2030 mehr als das Doppelte der fossilen Energieträger zu nutzen – im Vergleich zu der Menge, auf die sie sich für das 1,5-Grad-Ziel von Paris geeinigt haben. Bestehende fossile Kraftwerke müssen deshalb vorzeitig eingestellt werden.

Wichtig ist eine schnelle Wende zu erneuerbarer Energie. Wind- und Solarkraft sind preislich mittlerweile oft günstiger oder ähnlich teuer wie Kohle und Gas. Seit 2010 sind die Kosten für Windenergie um 55 Prozent, für Sonnenenergie um 85 Prozent gesunken. Allerdings ist es auch nötig, weiterhin bessere Speicherungsmechanismen zu erforschen und zu entwickeln, damit es nicht zu Engpässen kommt. Auch auf den Ausstoß anderer Treibhausgase wie Lachgas (N2O) und Methan darf nicht vergessen werden – letzteres fällt beispielsweise bei der Nutztierhaltung an.

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Die Herstellung von Zement, wie hier in Allborg, Dänemark, ist CO2-intensiv.
Foto: AP/Henning Bagger

Auch Gebäude sind ein wesentlicher Treiber des Klimawandels. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die Emissionen, die direkt oder indirekt mit Gebäuden zusammenhängen, um 50 Prozent gestiegen. Das liegt vor allem am Bevölkerungswachstum, mehr Wohnfläche pro Person und dem klimaschädlich produzierten Strom, der in den Häusern verbraucht wird.

Vom IPCC zitierte Studien zeigen, dass 60 Prozent der Emissionen aus Gebäuden bis 2050 reduziert werden könnten. Am meisten gibt es zu holen, indem man die Energieeffizienz, etwa durch Sanierung von Altbauten, erhöht. Auch umweltfreundlichere Baumaterialien könnten den Fußabdruck von Gebäuden senken, denn vor allem bei der Herstellung von Zement fallen viele CO2-Emissionen an.

Das aktuelle Jahrzehnt sieht der Weltklimarat jedenfalls als entscheidend, um die Wende hin zu klimafreundlichen Bauen und Wohnen zu schaffen – technologisch wie auch politisch. Da Gebäude in der Regel eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, droht vor allem durch ambitionslose Gesetze bei Neubauten ein "Lock-in-Effekt".

2. Subventionen umlenken, nachhaltig investieren

Damit die notwendigen Veränderungen umgesetzt werden können, müssen staatliche Subventionen dringend umgelenkt werden. Denn allein diese Umverteilung von Geld würde die Energiewende merklich begünstigen. Derzeit werden fossile Energieträger weltweit mit 400 Milliarden Euro pro Jahr unterstützt. Wenn klimaschädliche Finanzspritzen wegfallen, könnte dies allein die Treibhausgase weltweit um bis zu zehn Prozent senken. Neue Subventionen für fossile Energie sind kontraproduktiv und langfristig teuer. Stattdessen müssten erneuerbare Energien wie Wind- und Wasserkraft gefördert werden, verdeutlichen die Studien.

Auf welche Weise die Finanzwirtschaft selbst sich verändern müsste, wird ebenfalls im Bericht thematisiert. Wie man diese nachhaltiger gestalten kann, beschäftigt der Ökonomin Kerstin Lopatta von der Universität Hamburg zufolge auch Forschende immer mehr. Dabei geht es kurz gesagt um Investitionen in nachhaltige Geschäftsmodelle und Produktion. "Dafür braucht es einen verlässlichen politischen Rahmen, transparente Berichterstattung von Unternehmen und internationale Standards – hier kann die Politik noch viel Potenzial heben", sagt Lopatta. Banken sowie ihre Kundinnen und Kunden müssen ihre Geschäfte und Investments an die Klimaziele anpassen – und das ohne Greenwashing. Ähnliches ist auch vonseiten des IPCC zu lesen: "Die Abschaffung von fossilen Subventionen würde Emissionen reduzieren, öffentliche Einnahmen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verbessern; und Vorteile für Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung bringen."

3. Energie- und Ressourcenverbrauch senken

Eindeutig ist auch, dass wir nicht nur die Energiegewinnung umstellen, sondern die Energie auch effizienter nutzen und weniger verbrauchen müssen. Das gilt im Übrigen auch für sehr viele andere Ressourcen, seltene Erden etwa, die nur begrenzt auf dem Planeten vorhanden sind und irgendwann zur Neige gehen.

Eine Grafik mit guten Nachrichten: Die Kosten für Solarkraft (etwa Photovoltaik), Windanlagen und E-Auto-Batterien sind in den vergangenen Jahren gesunken. Sie werden immer stärker genutzt.
Bild: IPCC, 2022: AR6 WGIII Summary for Policymakers

In Sachen kohlenstoffarme Technologien gibt es gute Neuigkeiten zu verzeichnen: Seit dem vorigen Sachstandsbericht 2014 ist die Weiterentwicklung erneuerbarer und modularer Methoden schneller als von den Fachleuten erwartet vorangeschritten. Seit 2010 ist der Einsatz von Solaranlagen mehr als zehnfach verstärkt worden, bei Elektrofahrzeugen liegt der Faktor bei mehr als einhundert.

4. Ökosysteme und vulnerable Gruppen schützen

Weniger Treibhausgase müssen in der Luft landen – aber andererseits gibt es auch Möglichkeiten, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen. Die bewährteste davon benötigt keine ausgetüftelten Technologien, sehr wohl aber Schutz: Bäume wandeln durch Photosynthese Kohlenstoffdioxid und Wasser mithilfe von Licht um in Sauerstoff und Glukose – die sie als Energiequelle und für den Aufbau neuer Strukturen nutzen und damit dem Kohlenstoffkreislauf entnehmen. Zumindest solange, bis Holz und Blätter als Brennstoff genutzt oder von Mikroorganismen zersetzt werden.

Deshalb ist es so wichtig, bestehende Wälder zu schützen, die Rodung zu vermeiden und neuen Wald aufzuforsten. Aber auch Moore und andere Landschaftsformen speichern Kohlenstoff ein. Und generell kommt es dem Klima zugute, wenn bestehende Ökosysteme gesund gehalten werden. Dann zeichnen sie sich nämlich durch höhere Resilienz aus – das heißt, sie können den Klimaveränderungen besser standhalten und sich anpassen.

Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Veränderungen in tragbarem Tempo kommen und die Systeme nicht auch noch durch andere Belastungen geschwächt sind. Mindestens 30 Prozent von Land und Meeren müssen bis 2030 unter Schutz gestellt werden, um nicht nur diese Ziele zu erreichen, sondern auch indigene Bevölkerungen zu schützen.

Zwischen 1990 und 2019 ist vor allem in Ostasien der Treibhausgas-Ausstoß gestiegen (Grafik a). Betrachtet man die Emissionen historisch (b – seit 1850) und auf die Bevölkerung aufgeteilt (c – im Jahr 2019), stechen aber auch andere Regionen wie Europa und Nordamerika heraus. Die hellblauen Balken beschreiben den Ausstoß von CO2 durch fossile Energieträger, orange ist der CO2-Ausstoß durch Landnutzung (Rodung und Landwirtschaft z.B.) dargestellt, grau weitere Treibhausgasemissionen.
Bild: IPCC, 2022: AR6 WGIII Summary for Policymakers

Die Frage zu Hilfsleistungen für Länder des Globalen Südens ist bei den IPCC-Diskussionen traditionell heikel. Diese Staaten sind im Durchschnitt weniger resilient und stärker von Katastrophen betroffen. Auf der anderen Seite haben sie in der Vergangenheit verhältnismäßig sehr wenig zum heutigen Treibhausgasniveau in der Luft beigetragen. Allerdings wurden bisherige Zusagen der Industriestaaten, sogenannte Schwellen- und Entwicklungsländer bis 2020 finanziell zu unterstützen, nicht vollkommen erfüllt.

Entsprechend müssen die stärker an den Emissionen beteiligten Staaten und Großkonzerne auch zur Verantwortung gezogen werden. Wenn ihre Praktiken gegen Menschenrechte verstoßen und Gemeinschaften Schaden zufügen, dürfen entsprechende Konsequenzen nicht verhandelbar sein. Und auch die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen darf nicht vernachlässigt werden.

5. Weniger Autos – und diese elektrisch

Das größte Potenzial zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors sieht der Weltklimarat in der Umstellung auf Elektromobilität – das gilt natürlich nur, wenn der Strom auch klimafreundlich produziert wurde. Andere Antriebsarten wie Biosprit, Wasserstoff und E-Fuels werden die Mobilitätswende wohl "unterstützen", sind aber noch unwirtschaftlich und müssen daher noch weiter erforscht werden.

Am besten für das Klima ist es allerdings, möglichst wenig mit dem Auto zu fahren. Hier sieht der Weltklimarat vor allem wachsende Städte als Chance. Dort hätten Regierungen die Möglichkeit, sie "menschenzentriert" zu gestalten, soll heißen: fußgänger- und fahrradfreundlich, wenig zersiedelt und mit möglichst kurzen Distanzen – etwa zum Arbeitsplatz.

Der Flugverkehr, der zwar nur einen kleinen Teil der weltweiten Emissionen ausmacht, aber stark wächst, ist mit technischen Mitteln kaum klimaneutral zu bekommen: Zumindest auf weiten Strecken ist fossiles Kerosin noch alternativlos. Möglichst auf Langstreckenflüge zu verzichten könnte daher einen großen Unterschied machen. Dazu braucht es aber Alternativen, etwa klimafreundliche Transportmittel am Boden, vor allem aber auch internationale Kooperation.

6. Mehr Pflanzen auf den Teller

Bis zu ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen entsteht in der Landwirtschaft. Im Gegensatz zu jenen aus der Energieerzeugung oder dem Verkehr lassen sich diese eher schwierig reduzieren. Besonders Wiederkäuer, also etwa Kühe und Schafe, belasten das Klima durch ihre Methan-Emissionen enorm.

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Rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen stammt aus der Landwirtschaft.
Foto: Getty Images/Bim

Viel gewonnen wäre deshalb durch eine Umstellung des Speiseplans: Würde weniger Fleisch auf den Tellern landen, müssten weniger Tiere gehalten und gefüttert werden. Dadurch würden landwirtschaftliche Flächen, auf denen derzeit Futter angebaut wird, freiwerden, was wiederum die Ernährung der Welt erleichtern würde.

Klimafreundlicher wäre es freilich auch, alle produzierten Lebensmittel tatsächlich zu essen. Rund ein Drittel allen Essens wird derzeit verschwendet oder geht – etwa durch mangelnde Kühlung – verloren. Und bei diesen Veränderungen, die auch stark individuelle Lebensstilveränderungen betreffen, ist zu beachten: Es darf nicht nur von der persönlichen Entscheidung abhängen. Vor allem sind Anreize aus Politik und Wirtschaft nötig, die umfangreiche Veränderungen ermöglichen.

7. Technologien zur Speicherung von Kohlenstoff aus der Luft

Nicht nur Pflanzen und Mikroorganismen können der Atmosphäre CO2 entziehen und so für Negativemissionen sorgen. Es gibt bereits Technologien, die der Luft Kohlenstoffverbindungen entnehmen und umwandeln – damit die Stoffe aber nicht mehr den Treibhauseffekt befeuern, dürfen sie nicht weitergenutzt werden, sondern müssen in einem Lager landen. Außerdem gibt es kombinierte Methoden: So kann Biomasse erzeugt und zur Energiegewinnung verbrannt werden, wobei CO2 nicht als Abgas in der Luft landet, sondern abgeschieden, gespeichert und eingelagert wird. Diese Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung wird mit BECCS abgekürzt.

Solche Technologien sind jedoch umstritten. Es wird etwa kritisch hinterfragt, ob sich solche Anlagen etwa im Hinblick auf den Wirkungsgrad lohnen, also ob sie effizient genug Energie umwandeln. Außerdem muss die nötige Biomasse erst einmal angebaut werden. Der Flächenverbrauch steht dann in Konkurrenz mit Feldern zur Nahrungsmittelproduktion und Arealen, die zum Erhalt der Biodiversität – die wiederum durch Insektenbestäubung die Landwirtschaft beeinflusst – geschützt werden müssten.

Ganz werden sich solche Technologien, wie sie bereits in einer Anlage in Island zum Einsatz kommen, nicht vermeiden lassen – dafür sind unsere Emissionen aktuell zu hoch und dürften in naher Zukunft nicht steil genug absinken. Gefährlich wäre es aber, sich ganz auf diese – teils erst noch rentabel zu entwickelnden – Methoden zu verlassen. Denn dass wir den CO2-Ausstoß drastisch zurückschrauben müssen, lässt sich auf keinen Fall vermeiden. Keine der Technologien sei für sich gesehen "die Wunderwaffe", sagt Sabine Fuss. Die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft sei aktuell sehr teuer und energieintensiv. (Julia Sica, Philip Pramer, Nora Laufer, 4.4.2022)