Testamente sind eine heikle Angelegenheit und nur unter strengen Voraussetzungen gültig. Dafür haften auch die Notare.

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In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu den Voraussetzungen bei mehrblättrigen Testamenten für gehörige Aufregung gesorgt. Professionelle Testamentserrichter wie Rechtsanwälte und Notare legen mittlerweile besonderes Augenmerk auf die vom Höchstgericht geforderte Verbindung bei Testamenten, die aus mehreren Blättern bestehen.

Rechtsanwälte und Notare haften dem Kunden aber nicht nur dafür, dass die gebotene Form eingehalten wird, sondern müssen auch eine Belehrung zur Rechtslage und den Wirkungen eines Testaments vornehmen. Hier droht möglicherweise eine für viele unerwartete Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs: Wie ein jüngst ergangenes Urteil eines Landesgerichts zeigt, ist insbesondere im Zusammenhang mit Lebensversicherungen unter Umständen besondere Vorsicht geboten. Was war passiert?

Geheime Lebensversicherung

Ein unverheiratetes Paar hatte sich an einen Notar gewandt und den Wunsch geäußert, sich wechselseitig als Alleinerben einzusetzen. Auf die Frage des Notars, welches Vermögen vorhanden ist, teilten die beiden mit, dass die Frau Eigentümerin einer Wohnung sei.

Der Notar fragte – ohne Beispiele zu nennen – nach, ob "weitere besondere Vermögenswerte" bestehen. Beide Lebensgefährten verneinten dies. Daraufhin wurden zwei formgültige Testamente mit wechselseitiger Einsetzung des jeweils anderen Lebensgefährten als Alleinerbe errichtet.

Rund drei Jahre später starb die Frau. Der Mann wurde auf Basis des Testaments Alleinerbe und erhielt die Eigentumswohnung. Später stellte sich jedoch heraus, dass die Frau auch eine Lebensversicherung hatte. In der Polizze war allerdings die Mutter der Frau als Bezugsberechtigte eingesetzt, sodass die Versicherungssumme an der Verlassenschaft vorbei direkt an die Mutter fließt.

Beratungsfehler

Der Mann klagte daraufhin den Notar wegen eines Beratungsfehlers auf Schadenersatz. Hätte der Notar, so der Vorwurf des Mannes, die beiden ordnungsgemäß belehrt, dann hätte die Frau bei ihrer Lebensversicherung die Bezugsberechtigung geändert und den Mann als Begünstigten eingesetzt.

Der Notar bestreitet seine Haftung. Er habe bei der Testamentserrichtung keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz der Lebensversicherung gehabt. Die Lebensgefährten hätten auf die Frage, welche Vermögen vorhanden sind, nur die Wohnung genannt. Die Versicherung blieb auch auf Nachfrage unerwähnt.

Nach dem nunmehr vorliegenden erstinstanzlichen Urteil des Landesgerichts hätte sich der Notar damit jedoch nicht zufriedengeben dürfen. Er hätte weitergehende Fragen stellen müssen. Außerdem hätte der Notar, so das Gericht, einen Grundbuchauszug der Eigentumswohnung erstellen müssen.

Dann hätte er den besicherten Bankkredit entdeckt und wäre so auch auf die Lebensversicherung gestoßen, die zum Teil für diesen Kredit vinkuliert war. Im Ergebnis müsse der Notar dem Mann daher die entgangene Versicherungssumme sowie die Verfahrenskosten ersetzen.

Strenge Anforderung an Notar

Vorweg: Die dargestellte Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsfrage, wie weit die Nachforschungs- und Aufklärungspflichten eines Testamentserrichters in einer derartigen Konstellation gehen, durch den OGH zu klären ist.

Bei aller Vorsicht, die bei der Beurteilung von einzelnen Entscheidungen geboten ist, bestehen allerdings gewisse Bedenken gegen die besonders strengen Anforderungen, die das Gericht in diesem Fall stellt. Es gibt zahlreiche OGH-Entscheidungen, wonach die Sorgfaltspflichten eines Vertragsverfassers nicht überspannt werden dürfen.

Dieser Maßstab muss auch für den Errichter eines Testaments gelten. Insbesondere die Verpflichtung, bei der Einsetzung eines Alleinerben einen oder gar mehrere Grundbuchauszüge von allen Liegenschaften einzuholen und diese im Detail zu prüfen, dürfte überschießend sein.

Sollte sich diese strenge Auffassung durchsetzen, droht einerseits eine neue erbrechtliche Klagswelle. Andererseits würde diese Entwicklung wohl den Tod der Standardtestamente "von der Stange" bedeuten, die bislang sehr häufig zu niedrigen Pauschalpreisen von ein paar Hundert Euro errichtet werden. (Gerold Oberhumer, 4.4.2022)