Alexander Schallenberg trat gemeinsam mit den Außenministern aus Tschechien, Moldau und der Slowakei (v. l. n. r.) vor die Presse.

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Die Reise zeigt, wie sehr der russische Angriff auf die Ukraine die politischen Schwerpunkte in Europa verlagert hat: Gleich drei mitteleuropäische Außenminister statteten der kleinen Republik Moldau am Freitag einen Besuch ab. Alexander Schallenberg aus Österreich, sein tschechischer Amtskollege Jan Lipavský und der slowakische Außenminister Ivan Korčok flogen gemeinsam nach Chişinău, die Hauptstadt des 2,6-Millionen-Einwohner-Landes zwischen Rumänien und der Ukraine.

"Ihr seid nicht allein und könnt euch auf unsere Solidarität verlassen", sagte Schallenberg auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem moldauischen Außenminister Nicu Popescu. In Moldau sind bereits 370.000 Vertriebene angekommen, etwa 100.000 seien vorerst im Land geblieben, erklärte Popescu. Das sind immerhin knapp vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Weil es unter den Geflüchteten besonders viele Kinder und Jugendliche gibt, seien es bei der Gruppe der unter 18-Jährigen sogar zwölf Prozent der heimischen Population im selben Alter.

Österreich hat angeboten, 2.000 ukrainische Vertriebene aus Moldau aufzunehmen. Zudem soll Moldau heuer weitere fünf Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds erhalten, die Entwicklungshilfeausgaben für das Land werden darüber hinaus von drei auf fünf Millionen Euro erhöht.

Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau steht jedoch nicht nur wegen der Anstrengungen zur Versorgung Vertriebener und wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges unter Druck. Ähnlich wie in der Ukraine herrscht im Osten des Landes, in Transnistrien, ein international nicht anerkanntes prorussisches De-facto-Regime.

Kein Szenario ausschließen

In dem schmalen Landstrich an der Grenze zur Ukraine mit etwas mehr als 450.000 Einwohnern sind russische Soldaten stationiert. Im Moment sei die Lage in Transnistrien ruhig, sagte Außenminister Popescu auf der Pressekonferenz mit seinen drei Amtskollegen. Aktuell müsse man aber auf alle Szenarien vorbereitet sein – "auch auf die negativsten".

Moldau wird derzeit von der liberalen Partei Aktion und Solidarität (PAS) regiert, die im Parlament über eine absolute Mehrheit verfügt. Sie fährt einen klaren Westkurs und strebt mit Premierministerin Natalia Gavrilița einen EU-Beitritt des Landes an. Die amtierende Präsidentin Maia Sandu hat die Partei 2016 gegründet. Auch beide Spitzenpolitikerinnen empfingen die drei Außenminister, bevor diese dann noch ein Flüchtlingszentrum auf dem Messegelände von Chişinău besuchten.

Innerhalb weniger Wochen war es bereits die zweite Reise im sogenannten Austerlitz-Format. Anfang Februar, vor Kriegsbeginn, waren Schallenberg, Lipavský und Korčok in die Ukraine geflogen. Die Dreiergruppe aus Österreich, Tschechien und der Slowakei – nach dem tschechischen Namen der Gründungsstadt auch Slavkov-Format genannt – existiert seit 2015. "Es wird sehr stark wahrgenommen, dass hier drei zentraleuropäische Minister gemeinsam auftreten", sagte Schallenberg in Chişinău vor österreichischen Journalisten. "Ich glaube, wir stehen erst am Beginn dessen, was wir mit Slavkov erreichen können."

Austerlitz versus Visegrád?

Von Anfang an wurde Austerlitz auch als Gegengewicht zur Visegrád-Gruppe wahrgenommen, wo Tschechien und die Slowakei mit Polen und Ungarn zusammenarbeiten. In Prag und Bratislava wurde das zwar stets bestritten: Austerlitz sei nur eine Ergänzung zu Visegrád, hieß es dort, keine Konkurrenz. Dennoch ist es kein Geheimnis, dass man mit den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest zuletzt oftmals nicht auf einer Linie lag.

Nun ist vor allem Ungarns Premier Viktor Orbán, bekannt für sein Naheverhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, in der Visegrád-Gruppe mehr und mehr isoliert. Umso stärker rückt dadurch das Austerlitz-Format mit Österreich ins diplomatische Blickfeld. (Gerald Schubert aus Chişinău, 3.4.2022)