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Mirga Gražinytė-Tyla, hier ein Archivbild von 2018.

Foto: Getty Images

Ihr Auftreten: strahlend, frisch, leicht; eine kindliche Reinheit ist der zweifachen Mutter zu eigen. Mit zwei Programmen gastiert Mirga Gražinytė-Tyla im Wiener Musikverein, zusammen mit den City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), dem die 36-Jährige in ihrer sechsten und letzten Saison als Chefdirigentin vorsteht.

Mit 18 Jahren war Gražinytė-Tyla von Vilnius nach Graz gekommen, um dort bei Johannes Prinz Chordirigieren zu studieren. Mit dem Chorleiter und Dirigenten hat sie Johannes Brahms’ Totengedenken einst studiert, und mit dem von Prinz präparierten Singverein und dem CBSO brachte Gražinytė-Tyla das Großwerk am Sonntagabend zur Aufführung.

Singendes Sinnieren mit Brahms

Brahms Deutsches Requiem ist eigentlich eine großangelegte Chorerzählung, ein singendes Sinnieren über die Vergänglichkeit, den Tod und ein eventuelles Danach. Der Singverein, mit dem Werk seit einer Teiluraufführung im Dezember 1867 vertraut, erfüllte diese Erzählung mit allen Facetten der Emotionalität.

Schwebend und trotzdem innig war der Beginn, auf den bald kraftvolle Vitalität folgte. Mit widerborstiger Stärke wurde der Stachel des Todes verlacht, mit balsamischen Tönen wurden selig die Toten seliggesungen.

Die Stimmen des Singvereins waren es, die Brahms’ Musik in eine metaphysische Dimension hoben; das City of Birmingham Symphony Orchestra bot für die Höhenflüge des Chors ein schlank und umsichtig gebautes Fundament. Neben dem indisponierten Bariton Thomas E. Bauers strahlte der Sopran von Janai Brugger umso heller.

Für die klangstarke Kantabilität der US-Amerikanerin müsste ein neues Stimmfach geschaffen werden: der lyrisch-dramatische Sopran. Jubel. (sten, 5.4.2022)