Igor Zelensky, "Privatangelegenheiten" als Rücktrittsbegründung.

Foto: Bayerische Staatsoper

Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine wird in der Kulturszene die Frage diskutiert, wer auf welcher Seite steht. So warf die Stadt München kürzlich den Russen Valery Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker raus, weil sich dieser nicht ausreichend vom Vorgehen seines Heimatlandes distanzierte. Nun hat sich auch Igor Zelensky verabschiedet, bis Sonntagabend noch Direktor des Bayerischen Staatsballetts in München und ebenfalls Russe.

Seinen Schritt begründete der Tänzer mit Privatangelegenheiten, die seine volle Aufmerksamkeit und Zeit verlangten. "Meine Familie braucht nun meine ganze Unterstützung", zitierte das Staatsballett Zelensky in einer Pressemitteilung. Mit der Leitung einer Kompanie sei das nicht vereinbar, dies erfordere absolute Konzentration und Kapazität.

Er habe Respekt vor dieser nicht einfachen Entscheidung, sagte Staatsintendant Serge Dorny. Zelensky habe es in den vergangenen Jahren geschafft, den internationalen Ruf des Bayerischen Staatsballetts weiter zu festigen. Und der Bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU) erinnerte an "viele Auftritte weltberühmter Ballettstars", die Zelensky nach München geholt habe. Bereits in den kommenden Wochen soll die Nachfolge geregelt werden.

Rätselraten über die wahren Gründe

Doch ist die Familie wirklich der wahre Grund für Zelenskys raschen Abschied? Darüber wird viel gemutmaßt. Etwa, dass der Tänzer Berater einer russischen, Präsident Wladimir Putin nahe stehenden Stiftung sei, die die Aufgabe habe, den Bau vier großer kultureller Zentren zu errichten, eines davon auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim, wie die "Süddeutsche Zeitung" schrieb. Oder dass Zelensky massiv unter Druck gestanden habe, sich zu äußern und dies nicht getan habe.

Zu all dem gibt es von offizieller Seite in Bayern keinen Kommentar und keine Bestätigung. Von der Staatsoper ist nur zu erfahren, dass sich Zelensky intern gegen Krieg generell ausgesprochen hatte. Nach außen äußerte sich der Ballettdirektor dagegen nicht, anders als kürzlich sein Landsmann Vladimir Jurowski, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. Putins totalitäres Regime habe einen skrupellosen Krieg gegen die souveräne Ukraine entfesselt, schrieb Jurowski in einem offenen Brief. Das Angreifen und Bombardieren ziviler Ziele nannte er "Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die ausnahmslos und unmissverständlich verurteilt werden müssen".

Der Dirigent warnte aber vor einem Pauschalboykott russischer und belarussischer Künstler. "Nicht jeder fühlt sich im Stande klar auszusagen, weil eine solche Aussage unter Umständen der Person selbst oder ihren Angehörigen, Freunden und Arbeitskollegen in Russland oder Belarus erheblichen Schaden zufügen könnte." Viele fühlten sich wie Geiseln im eigenen Land. Vor dem Einmarsch in der Ukraine habe Putin jede Opposition zum Schweigen gebracht und die Bevölkerung einer Gehirnwäsche unterzogen.

Viele Künstler unterzeichneten den Brief, darunter Stardirigent Sir Simon Rattle, Staatsintendant Dorny, die Bratschistin Tabea Zimmermann oder der Pianist Alexander Melnikov. Zelenskys Name war zumindest bis Montag Nachmittag nicht darunter zu lesen. (APA, 4.4.2022)