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Der britische Chefankläger des IStGH, Karim Ahmad Khan.

Foto: Reuters/Christian Levaux

Fünfzig Jahre ist es her, dass Phan Thi Kim Phúc, damals neun Jahre alt, zu einem Symbol für die Schrecken des damals zu Ende gehenden Vietnamkriegs wurde – ohne dass sie es wollte. Ein Fotograf lichtete das Mädchen am 8. Juni 1972 ab, wie es nackt vor den Napalmbomben der Südvietnamesen floh.

So wie das ikonische Bild aus Vietnam, für das Nick Út später mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, lassen auch die grauenvollen Aufnahmen aus dem Kiewer Vorort Butscha, wo dutzende, womöglich hunderte Leichen die Straßen pflasterten, die zivilisierte Welt erschaudern. Ob sie aber dazu führen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin als Befehlshaber des verbrecherischen Angriffskriegs dereinst dafür wird Verantwortung übernehmen müssen, ist alles andere als sicher.

"Genozid"

Zwar wird das Massaker an den ukrainischen Zivilisten, für das allem Anschein nach abziehende russische Soldaten verantwortlich sind, von westlichen Spitzenpolitikern einhellig verurteilt – Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sprach gar von einem "Genozid" –, allzu scharf sind die juristischen Waffen nicht, die dem Westen gegen den Kreml zur Verfügung stehen.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) spürt schon seit Beginn des Krieges möglichen Kriegsverbrechen nach, die EU, namentlich Ratspräsident Charles Michel, hat der Ukraine noch am Sonntag versichert, beim Sammeln von Beweisen zu helfen.

Justiz sind Hände gebunden

Weil Russland – wie auch die USA – den IStGH nicht anerkennt, kann Putin, dessen Außenminister Sergej Lawrow das Massaker von Butscha am Montag als "inszeniert" und "erfunden" abtat, von diesem auch nicht in Abwesenheit verurteilt werden. Der ebenfalls in Den Haag residierende Internationale Gerichtshof (IGH) beschäftigt sich ohnehin schon seit Anfang März mit einer Dringlichkeitsklage der Ukraine gegen Russland wegen der Verletzung der Völkermordkonvention von 1948. Urteile dieses höchsten Uno-Gerichts mögen rechtlich bindend sein, vollstreckt werden können sie nicht.

Was den Richtern bleibt, ist, den UN-Sicherheitsrat anzurufen. Dort verfügt Russland über ein Veto. Und die Option, Moskau mithilfe der Völkerrechtsdoktrin "Responsibility to Protect" (Schutzverantwortung) militärisch von weiteren Kriegsverbrechen abzuhalten, ist angesichts der Drohungen Russlands, Atomwaffen einzusetzen, ebenso zahnlos. (Florian Niederndorfer, 4.4.2022)