Karl Nehammer (ÖVP) sieht sich mit einer unangenehmen Anfrage der SPÖ über den Umgang seiner Familie mit Personenschutz konfrontiert.

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Wien – Nachdem zwei Personenschützer der Kanzlerfamilie betrunken einen Autounfall mit Sachschaden verursacht haben, läuft der Flurfunk innerhalb der Polizei auf voller Lautstärke. Das Innenministerium betonte offiziell, dass weder Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) noch seine Ehefrau Katharina Nehammer mit ihren Personenschützern getrunken hätten. Diese seien "nach Dienstschluss" zu Fuß in ein Lokal nahe der Nehammer’schen Wohnung gegangen und hätten dann beim Ausparken des Dienstwagens andere Autos touchiert.

In einem anonymen Brief, den angeblich ein Mitarbeiter der Polizeieinheit Cobra verfasst hat, werden nun neue Vorwürfe gegen die Nehammers laut. So sollen beispielsweise Personenschützer als Babysitter eingesetzt worden sein und Botendienste erledigt haben. Auch die Darstellung der Ereignisse rund um den Unfall wird angezweifelt.

Nehammer sieht "Tiefpunkt"

Das haben SPÖ und FPÖ nun zum Anlass genommen, eine parlamentarische Anfrage an das Innenministerium zu stellen, worin der anonyme Brief in ganzer Länge zitiert wird. Im Bundeskanzleramt kommt das gar nicht gut an. Der Vorfall werde geprüft, kündigte Nehammer in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Montagabend an.

Nehammer sagte, die Oppositionsanfragen seien ein "Tiefpunkt" in der politischen Auseinandersetzung. Eine rote Linie sei "massiv überschritten" worden. Durch die "Unwahrheiten", die in dem Brief verbreitet würden, sei die Sicherheit seiner Familie gefährdet, so der Kanzler. Anhand der Darstellung sei es möglich, diese zu verifizieren und Sicherheitslücken zu entdecken. Jetzt schon sei der Personenschutz für die gesamte Familie belastend.

Anfragen für Nehammer "niederträchtig"

Auf die konkreten Vorwürfe antwortete Nehammer so: "Das Begleiten gehört zum Alltag", wenn also ein zu schützendes Kind von A nach B muss, mache es Sinn, das Dienstauto des Beamten zu verwenden, anstatt mit der Straßenbahn zu fahren und dort für die Sicherheit des Kindes sorgen zu müssen.

Sollten Personenschützer PCR-Tests seiner Kinder mitgenommen und abgegeben haben, sehe Nehammer darin nichts Verwerfliches. Auch die Beamten müssten sich regelmäßig testen.

Nehammers Statement von Montagabend.
APA

Dass Nehammer bei der Cobra interveniert haben soll, damit die Vorwürfe nicht öffentlich werden, sei eine "glatte Lüge", sagte der Kanzler. Personenschutz sei kein Luxus, sondern notwendig – auch deshalb empfinde er die parlamentarischen Anfragen als "so niederträchtig".

SPÖ: Vorfall "höchst aufklärungswürdig"

Anders sahen es SPÖ und FPÖ: Die FPÖ-Mandatare Hannes Amesbauer und Christian Hafenecker orteten am Montag in einer Aussendung Indizien, "dass der gesamte Vorfall unter den Teppich gekehrt werden sollte". Der Vorfall sei "höchst aufklärungswürdig", hatte zuvor schon der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner per Aussendung in den Raum gestellt. In der Aussendung wollen die Oppositionspolitiker etwa wissen, ob es nach dem Vorfall aus Regierungskreisen eine Kontaktaufnahme mit Cobra-Chef Bernhard Treibenreif gegeben hat.

Treibenreif wies die Vorwürfe in dem anonymen Schreiben in der "Zeit im Bild" zurück. Man werde die Behauptungen ganz genau prüfen, aber er könne schon sagen, dass der Wahrheitsgehalt "sehr, sehr gering ist" und "dass wir das alles zur Anzeige bringen werden".

Innenminister kündigt Anzeige an

Vor der Pressekonferenz meldete sich auch das Innenministerium via Aussendung zu Wort. Nehammer brauche seit Sommer 2020 permanenten Personenschutz, im November desselben Jahres seien diese Maßnahmen auch auf seine Ehefrau und die Kinder ausgeweitet worden.

Es wird festgehalten, dass "auf ausdrücklichen Wunsch der Familie" eine geringere Anzahl an Bediensteten für die Sicherheit der Kanzlerfamilie sorge, "als dies eigentlich den internen Vorgaben entspricht". Gleichzeitig wird festgehalten, dass "falsche Behauptungen in Kombination mit der Veröffentlichungen von Sicherheitskonzepten" eine Gefahr für die Betroffenen darstellten.

Die Direktion für Spezialeinheiten werde daher eine Strafanzeige wegen der "falschen Behauptungen und der dadurch entstehenden Sicherheitsgefährdungen" einbringen, kündigte das Innenministerium an. Gegen wen sich die Anzeige genau richtet, wird nicht erläutert. Fest steht jedenfalls: Zwei Cobra-Beamte wurden nach dem Vorfall in den Innendienst versetzt, laut Nehammer laufe eine interne Untersuchung. (red, APA, 4.4.2022)