Zinserhöhung oder nicht? Diese Frage spaltet derzeit die EZB.

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Der Krisenkurs der Europäischen Zentralbank (EZB) steht schon lange in der Kritik. Als zu wenig aktiv wird dieser wahrgenommen. Die EZB hatte es nach der Finanzkrise verabsäumt, die Zinsen moderat anzuheben – wie es etwa die US-Notenbank Fed gemacht hat. Damit hatte die Fed in der Pandemie wieder Spielraum im Zinsbereich, um die Wirtschaft zu unterstützen – ein Tool, das die EZB nicht antasten konnte.

Der Druck auf die EZB wächst nun, weil die Inflation sich nicht wie erhofft beruhigt, sondern steigt. Höhere Preise für Energie und Rohstoffe, die Preisbelastung durch den Ukraine-Krieg und Unterbrechungen bzw. Verzögerungen in den Lieferketten treiben die Preise weiter nach oben.

Die Inflation ist im März in der Eurozone auf 7,5 Prozent gestiegen und liegt damit meilenweit entfernt vom EZB-Ziel von zwei Prozent. Das bringt den Nullzinskurs der EZB weiter unter Druck. Innerhalb des Gremiums nehmen auch die Unstimmigkeiten über weitere Schritte der EZB zu. Laut Deutsche-Bundesbank-Chef Joachim Nagel sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: "Die Geldpolitik darf nicht die Gelegenheit verpassen, rechtzeitig gegenzusteuern." Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot hält es nun für wahrscheinlicher, dass die EZB ihre Anleihenkäufe schon Anfang des dritten Quartals beendet – als Vorstufe für eine Zinswende.

Forderung nach strafferem Kurs

EZB-Chefökonom Philip Lane nimmt das gelassen: Es sei wichtig, dass sich die Notenbank Zeit nehme, sagte er zu CNBC. Die Inflation sei zwar sehr hoch. Es gelte aber, die nächsten Sitzungen und die in diesem Quartal anstehenden Prognosen zu nutzen, um sich ein umfassendes Lagebild zu verschaffen. Die nächste EZB-Sitzung ist am 14. April. Doch es brodelt unter Experten. Ein strafferer Kurs wird gefordert – sprich: eine Zinserhöhung –, damit die Inflation nicht zum Dauerthema wird.

Axel Weber, scheidender Verwaltungsratschef der Schweizer UBS und Ex-Präsident der Deutschen Bundesbank, fordert eine Verschärfung des Kurses. In einem Interview mit dem Handelsblatt kritisierte er, dass sich die EZB mit ihrer zögerlichen Haltung im Kampf gegen die Inflation "selbst in eine schwierige Situation manövriert hat". Einige präventive Schritte bereits im vergangenen Jahr hätten vielleicht weitreichendere Eingriffe verhindert, die jetzt notwendig werden könnten, so Weber.

Die EZB will laut ihrem Ratsmitglied Isabel Schnabel die Zinsen einige Zeit nach dem Abwickeln des Anleihenkaufprogramms im dritten Quartal erhöhen. Die Käufe von Anleihen würden im Sommerquartal eingestellt, solange Daten darauf schließen ließen, dass sich der mittelfristige Inflationsausblick nicht entspannt. "Wir werden die Zinsen danach anheben, wenn es auf Basis der eingehenden Informationen angemessen ist." (Bettina Pfluger, 5.4.2022)