Hallo! Uns gibt es auch noch.

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Ist es mittlerweile so weit, dass wir nicht mehr alt werden dürfen? Hat "Anti-Aging" sich durchgesetzt? Ich brauche endlich eine Erklärung, was Anti-Aging eigentlich bedeutet. Können wir es mit Antisexismus oder Antirassismus gleichsetzen? Gibt es Anti-Aging-Demonstrationen?

Auf jeden Fall scheint es, laut der Sprache, dass wir nie alt werden.

Zuerst werden wir "reif" und versuchen, uns als guten Wein oder Käse auszugeben. Wenn das nicht mehr funktioniert, werden wir "Seniorinnen". Ich habe unlängst sogar den Begriff "chronologisch fortgeschritten" gelesen!

Niemand will alt genannt werden, und ich mache ihnen keinen Vorwurf, wenn wir sehen, wie alte Menschen in unserer Gesellschaft gesehen und behandelt werden – insbesondere alte Frauen! Ich lese immer wieder von jungen Frauen, die nachts schweißgebadet aufwachen, weil sie davon geträumt haben, ein graues Haar zu finden! Sie fürchten nichts so sehr, wie dass sie alt werden.

Einerseits: Was für eine Lebensverschwendung, wenn man sich in den Zwanzigern schon Sorgen macht, was mit einem in den Sechzigern passieren wird. Auf der anderen Seite ist es ein bisschen deprimierend, immer weiter nach unten scrollen zu müssen, wenn wir unser Geburtsjahr angeben müssen, um zu wissen, dass unsere Status mit jedem Jahr sinkt.

52 – oder doch nicht?

Das Problem ist, dass wir meistens selbst nicht das Gefühl haben, älter zu werden. Wir tendieren dazu, uns an einem Alter festzuhalten, das unserem subjektiven Altersgefühl entspricht. Bei mir wäre das ungefähr 52. Doch ich bekomme ständig Informationen, die mir sagen, dass ich nicht mehr 52 bin.

Manchmal stehen Frauen im Bus für mich auf, die ich auf genauso alt wie mich selbst schätze. Ich denke: "Was zum Teufel …?" Dann wird mir klar, dass sie 52 ist – und ich nicht.

Es ist nicht nur das, was die Leute tun, das dir zeigt, dass du alt bist, es ist auch das, was sie nicht tun, wie zum Beispiel, dir Aufmerksamkeit zu schenken.

Früher haben mich die durchdringenden Blicke, die mir Männer zugeworfen haben, als ob sie mich mental ausziehen würden, geärgert.

Da kann ich jetzt beruhigt sein. Keiner schaut hin.

Ich habe das Gefühl, wenn ich jetzt nackt die Straße entlanglaufen würde, würde ich nur von einem netten Polizisten aufgehalten, der meinen Sohn anrufen und ihm sagen würde, dass seine wahnsinnige Mutter auf freiem Fuß ist.

Die Leute versuchen, uns in unserem Elend zu trösten, indem sie Dinge sagen wie: Du bist nur so alt, wie du dich fühlst. Alter ist nur eine Zahl. Oder, das Schlimmste: 70 Jahre jung!

Wir werden mit Vorschlägen und Werbung überschwemmt, wie wir jung und gesund bleiben und die Uhr quasi zurückdrehen können. In unserem Herzen wissen wir eigentlich, dass dies alles ziemlich nutzlos ist.

Wir brauchen ein Lobby

Allerdings gibt es tatsächlich etwas, das uns gesund hält und uns hilft, ein langes Leben zu führen – soziale Anerkennung, das, was Pierre Bourdieu "soziales Kapital" nennt.

Reiche Menschen leben nicht nur länger, weil sie eine bessere medizinische Behandlung erhalten oder hochwertigere Lebensmittel essen, sie leben länger, weil sie mehr soziale Macht und Anerkennung haben, einen höheren Status also.

Es ist offensichtlich, wie es um den Status alter Menschen in unserer Gesellschaft steht, insbesondere den von alten Frauen, die in den Augen der Gesellschaft viel früher die Definition von "alt" erreichen als Männer.

Wir brauchen kein Anti-Aging. Was wir brauchen, ist, selbstbewusst dem Altwerden zu begegnen. Wir brauchen eine Alters-Machtbewegung, eine Lobby, damit wir gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit auf allen Ebenen vorgehen können – am Arbeitsplatz, in der Familie und im Alltag. Unsere Stimme erheben und die Freiheit nutzen, die wir "alten Frauen" haben, endlich zu sagen, was wir denken und fühlen.

Die Gesellschaft muss wissen, dass wir eine Macht sind, mit der man rechnen muss, so Monika Salzer, die Gründerin von Omas gegen rechts: "Alt sein heißt nicht stumm sein." (Jenny Simanowitz, 5.4.2022)