Bild nicht mehr verfügbar.

Papst Franziskus stünde für eine Reise in die Ukraine zur Verfügung. Es sei aber noch "alles in der Schwebe".

Foto: Reuters / Vatican Media

"Wie viele Divisionen hat denn der Papst?", höhnte der sowjetische Diktator Josef Stalin im Februar 1945. "Sie wissen doch, meine Herren, dass man Kriege nun einmal mit Soldaten, Kanonen und Panzern führt." Das berühmte Bonmot Stalins fiel bei der Konferenz der Alliierten auf der Halbinsel Krim, wo Stalin, Churchill und der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt drei Monate vor der Kapitulation von Nazideutschland über die Nachkriegsordnung und die Aufteilung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg berieten. Churchill hatte vorgeschlagen, auch den Papst zum Verbündeten zu machen.

Der Papst hat seit über 150 Jahren keine Divisionen und, einmal abgesehen von der 135 Mann starken Schweizergarde, überhaupt kein Militär mehr. Und als kleinster Staat der Welt kann der Vatikan auch keine Sanktionen verhängen, die Russlands Präsidenten schmerzen könnten. Umso größeres Gewicht hat der Papst dagegen als religiöser Führer von 1,2 Milliarden Katholiken und als moralische Instanz. Und diese "soft power" würde Papst Franziskus ohne zu zögern in die Waagschale werfen, falls dies dazu beitragen könnte, den Krieg in der Ukraine zu beenden: "Ich bin bereit, alles zu tun, was getan werden muss", betonte der 85-jährige Pontifex auf der Rückreise von Malta, das er am Wochenende besucht hatte.

Einladung nach Kiew

Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, hatten den Papst im März nach Kiew eingeladen. Zu einem Blitzbesuch in der ukrainischen Hauptstadt wäre Franziskus durchaus bereit: "Es gibt kein Nein, ich stehe zur Verfügung", erklärte Franziskus auf seiner "fliegenden Pressekonferenz". Möglich wäre auch ein Besuch an der polnisch-ukrainischen Grenze, wie ihm dies der polnische Präsident Andrzej Duda bei einer Audienz am vergangenen Freitag im Vatikan vorgeschlagen hatte. Aber, betonte der Papst: "Ich weiß noch nicht, ob es machbar ist, ob es opportun ist und ob es das Beste wäre. Das ist alles noch in der Schwebe."

Es sind vor allem zwei Probleme, die im Hinblick auf einen Besuch des Papstes in Kiew gelöst werden müssten. Zum einen müsste in Kiew die Sicherheit des katholischen Kirchenoberhaupts garantiert werden; eine zumindest zeitlich begrenzte Feuerpause rund um die Hauptstadt wäre die Minimalbedingung für den Besuch. Zum anderen will der Papst vermeiden, dass sein Besuch in Kiew von Putin als einseitige Stellungnahme zugunsten der Ukraine wahrgenommen würde.

Franziskus glaubt nicht daran, dass ein solcher Positionsbezug zugunsten der Ukraine dem Frieden förderlich wäre. Der russische Botschafter am Heiligen Stuhl, Alexander Avdeev, hat gegenüber dem vatikanischen Chefdiplomaten, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, bereits durchblicken lassen, dass Moskau einen Besuch des Papstes in Kiew als "nicht hilfreich" ansehen würde.

Drängen auf Diplomatie

Damit ist eine Reise nach Kiew im Moment wenig wahrscheinlich. Denn zumindest vorläufig will sich der Papst eine mögliche Vermittlerrolle zwischen den Konfliktparteien noch offen lassen. Das ist auch der Grund, warum er bisher zwar den Krieg verurteilt hat, den russischen Präsidenten Putin aber dabei noch nie – auch am Sonntag nicht – explizit beim Namen genannt hat: Der Papst verurteilt die Sünde, nicht den Sünder. Auch in seiner Videokonferenz mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen von Moskau, Kyrill I. hatte Franziskus auf eine diplomatische Lösung gedrängt. Diesen Kanal will sich Franziskus offenhalten: An einer persönlichen Begegnung mit Kyrill werde weiter gearbeitet, sagte der Papst. Auch mit dem Erzbischof von Kiew, Swiatoslaw Schewtschuk, habe er sich wegen einer Friedenslösung unterhalten.

Kritisiert hat der Papst auf der Rückreise von Malta nicht nur den Krieg, sondern auch das Wettrüsten, das nun als dessen Folge wieder einsetze. Dies sei Ausdruck des "Modells des Krieges", betonte Franziskus: "Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, atmeten alle auf: Nie wieder Krieg! Siebzig Jahre später haben wir das alles vergessen. Das Modell des Krieges hat sich wieder durchgesetzt. Wir sind in Kriege verliebt, in den Geist von Kain. Nicht zufällig steht am Anfang der Bibel dieses Problem: Kains Geist des Tötens anstelle des Geistes des Friedens. Ich bin traurig. Wir lernen nicht. Möge der Herr uns gnädig sein, uns allen. Wir sind alle schuldig!", sagte Franziskus.

Immerhin: Die "soft power" des Papstes hat die Divisionen Stalins überdauert. Die Sowjetunion ist untergegangen, der Vatikan existiert immer noch. (Dominik Straub aus Rom, 5.4.2022)