Dank "Geräteinitiative" des Bildungsministeriums sollen alle Schüler und Schülerinnen dem Unterricht auf ihren eigenen Geräten folgen können.

Foto: ACP Eduwerk/Paul Gruber

Schutz von persönlichen Daten, das kritische Hinterfragen von Medieninhalten und Cyber-Mobbing – die Herausforderungen an die heutige Jugend sind mannigfaltig und können als Erwachsener nur erahnt werden. Die Kinder in diesen Dingen zu schulen stand lange Zeit nicht auf Österreichs Lehrplänen. Nach Pilotprojekten und unterschiedlichen Zugängen einzelner Schulen in den letzten Jahren soll im Herbst der Pflichtgegenstand "Digitale Grundbildung" an Neuen Mittelschulen und den AHS angeboten werden. Volksschulen sollen mit einer passenden "Medienbildung" 2023 nachziehen.

Freiwilligkeit

Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung, Mediengestaltung und Sicherheit sind Beispiele für Inhalte der 2018 eingeführten Digitalen Grundbildung an österreichischen Neuen Mittelschulen und AHS-Unterstufen. Laut Website des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung wurde die verlässliche Umsetzung dieser Inhalte in der Vergangenheit auch geprüft. Die Umsetzung war allerdings den Schulen überlassen und wurde als "verbindliche Übung" ohne Benotung geführt. Die Inhalte konnten wahlweise in bestehende Fächer eingebaut werden, oder jede Schule hatte alternativ die Möglichkeit, ein anderes Fach um diese eine Stunde pro Woche zu reduzieren. Spricht man mit Lehrerinnen und Lehrern, dann wurde meist der Weg der Integration in bestehende Fächer gewählt. Dazu musste sich das Lehrpersonal abstimmen, wer welche Inhalte in den eigenen Unterricht einbauen wollte und wo es inhaltlich Sinn ergab. Ob die Vermittlung gelang, hing also sehr stark vom Engagement der Lehrerinnen ab.

Vielleicht auch deshalb hat man sich dazu entschlossen, ab Herbst in Neuen Mittelschulen und der AHS die Digitale Grundausbildung als zu benotendes Pflichtfach einzuführen, das auch im Lehrplan als fixe Stunde pro Woche vermerkt ist. Inhaltlich bleiben die auch bisher zu behandelnden Themen bestehen, wie auch Bildungsminister Martin Polaschek gegenüber dem STANDARD betont: "Die zunehmende Digitalisierung des Lebens erfordert neue Kompetenzen, um in der komplexen, digitalen Welt selbstbestimmt und souverän zurechtzukommen." Schülerinnen und Schüler sollten befähigt werden, etwa "Fake News zu erkennen" oder "sich gegen Cybermobbing zu wappen".

Hardware

Parallel dazu läuft auch die weitere Auslieferung von Laptops und Tablets an die Schulen. Damit solle sichergestellt werden, dass die Kinder und Jugendlichen auch im Umgang mit den Endgeräten, mit denen sie sich im Internet bewegen, eine gewisse Sicherheit entwickeln sollen.

Diese "Geräteinitiative", wie sie das Bildungsministerium nennt, soll Schülerinnen der fünften Schulstufe die Chance auf ein solches "digitales Endgerät" geben. In diesem Jahr wurde auch die sechste Schulstufe mitkalkuliert, da in diesen Jahrgängen der Unterricht stattfinden soll. Auch die Lehrenden sind in dieser Initiative mitgedacht. Laut Ministerium haben an dieser Aktion im ersten Jahr, dem laufenden Schuljahr, rund 93 Prozent aller österreichischen Schulen mitgemacht – das seien rund 1.500 Schulen.

Die dazugehörige technische IT-Basisinfrastruktur sei natürlich eine "unbedingte Grundvoraussetzung" und ein Projekt, das bis 2023 eine wesentliche Verbesserung an den heimischen Schulen erfahren soll. "Alle Bundesschulen sollen eine auf Glasfaser basierende performante Breitbandanbindung am jeweiligen Standort sowie eine leistungsfähige und ausreichende WLAN-Versorgung in den einzelnen Unterrichtsräumen aufweisen", so das Bildungsministerium gegenüber dem STANDARD. 90 Prozent der Bundesschulen verfügen offenbar schon über eine solche Glasfaserleitung, und auch die WLAN-Versorgung soll in diesem Ausmaß bereits "ausreichend" vorhanden sein.

Digitalisierungsschub

Distance-Learning, da sind sich Ministerium und Lehrpersonal einig, hat einen Schub für die Digitalisierung des Bildungswesens ermöglicht. Vor allem durch den Einsatz ambitionierter Lehrkräfte konnte man das Beste aus den oftmaligen Schulschließungen machen. Das Interesse, so das Ministerium, an Fortbildungen im Bereich Digitalisierung sei "riesig". Allein an den beiden virtuellen Angeboten der Virtuellen Pädagogischen Hochschulen sollen in Summe über 50.000 Personen freiwillig teilgenommen haben. Das ist auch nötig, schließlich braucht es Personal, das das neue Fach unterrichten muss. Dazu wurden die Schulen zuletzt aufgerufen, interessierte Lehrer zu suchen und dafür abzustellen.

Inhaltlich noch nicht definiert sind die geplanten Fächer Informatische Bildung und Medienbildung, die 2023 ab der ersten Klasse Volksschule in den Lehrplan aufgenommen werden sollen. Es seien laut Ministerium "übergreifende Themen vorgesehen" – gegenwärtig würde man sich in der "finalen Abstimmung" befinden. Im Gespräch mit dem STANDARD verrät eine Lehrerin, dass man sich mittlerweile daran gewöhnt habe, "Konkretes erst spät zu erfahren". Man müsse es deshalb "gelassen angehen", und im Idealfall verfüge man über eine Direktorin, die sich verlässlich darum kümmert.

Schlechte Noten

Die digitale Kompetenz an europäischen Schulen wird immer wieder etwa in Pisa-Studien dargestellt. Da die nächste Studie erst wieder 2025 ansteht, gibt es dank der Fujitsu-Studie "Program for International Digital Skills Assessment" (FIDA) eine aktuelle Momentaufnahme zu diesem Thema. Die Ergebnisse sind teilweise niederschmetternd, sprechen die Forscher doch von Defiziten bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Schulen.

Schuld an so manchen Defiziten sei auch die mangelnde Akzeptanz seitens der Lehrkräfte. Diese sehen oft nicht die "dringende Notwendigkeit der digitalen Nutzung in den Schulen". Am Beispiel Deutschland wird etwa gezeigt, dass nur neun Prozent der Lehrer dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht "voll und ganz" zustimmen. In Dänemark seien es hingegen 64 Prozent.

Weiterhin seien an den meisten Schulen digitale Medien kein Schwerpunkt im Schulalltag und würden oftmals nur für kleine Forschungsprojekte genutzt werden. Auch bei der Vermittlung von verantwortungsvollem Verhalten im Internet schlägt sich Österreich im Vergleich nur mäßig. "Man geht davon aus, dass die heutige Generation der Digital Natives die erforderlichen digitalen Fähigkeiten auf natürliche Weise erwirbt. Unsere Untersuchung zeigt jedoch, dass viel mehr formeller digitaler Unterricht erforderlich ist, um die Schulabgänger entsprechend für den Arbeitsplatz und die digitale Gesellschaft zu rüsten", sagt Christian Leutner von Fujitsu. In vielen Bereichen bestehe allerdings dringender Verbesserungsbedarf, wie die Studie zeigt. (aam, 5.4.2022)