Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist es eine Sünde, dass die Regierung die Anpassung der Richtwertmieten nicht ausgesetzt hat.

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Wien – Wie ein roter Faden zog sich eine E-Mail einer Mindestpensionistin durch die Nationalratssondersitzung zum Thema Teuerung am Dienstag. Aufs politische Parkett brachte die Mail SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, viel Pathos inklusive. "Ich habe dieses Jahr fast nicht geheizt aus Angst vor der Nachzahlung. Ich fürchte mich, dass mir die Kosten über den Kopf wachsen", zitiert Rendi-Wagner die Verfasserin. Auf Basis dieser Mail unterstreicht die Parteichefin ihre Vorwürfe an die türkis-grüne Bundesregierung: nämlich nichts gegen die rapide ansteigende Inflation zu tun.

Die Sozialdemokraten haben einen dringlichen Antrag eingebracht, mit dem die Sondersitzung begründet wurde, und verlangen eine Reihe von Gegenmaßnahmen. Unter anderem wollen die Roten eine Lohnsteuersenkung, eine Inflationsanpassung der Pensionen, Steuersenkungen auf Sprit, Gas und Strom und die Rücknahme der Richtwertmietenerhöhung. Seit 1. April gelten in Österreich um rund sechs Prozent höhere Richtwertmieten. Diese Anhebung durchführen zu lassen bezeichnete Rendi-Wagner als Sündenfall.

Das Arbeitslosengeld solle außerdem auf 70 Prozent des Letzteinkommens erhöht werden. Zusätzlich sollen die "Übergewinne" der Energiekonzerne abgeschöpft werden. "Die Menschen sollen sich nicht entscheiden müssen zwischen Heizen und Essen", sagte Rendi-Wagner.

Jede dritte Person mit weniger Geld

Nach einer aktuellen Erhebung der Statistik Austria stand jeder dritten Person Ende 2021 weniger Geld zur Verfügung als noch ein Jahr zuvor. Die häufigsten Gründe dafür waren reduzierte Arbeitszeit, gesunkenes Erwerbseinkommen oder Arbeitsplatzverlust. Auch die hohe Inflation wurde von den Befragten häufig als Begründung für den Einkommensverlust angeführt. Laut der Schnellschätzung der Statistik Austria Ende vergangener Woche dürfte die Inflation im März auf 6,8 Prozent gestiegen sein – der höchste Wert seit November 1981.

Vor der Nationalratssitzung brachte sich ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im Ö1-"Morgenjournal" in Stellung. Er kritisierte die von der Regierung neu eingerichtete Inflationskommission, der auch die Gewerkschaftsvertreter angehören. Derzeit sei unklar, was diese leisten soll. Es brauche nicht nur ein Monitoring darüber, welche Warengruppen gerade teurer werden, sondern auch Maßnahmen, die man dagegen erarbeite.

Nehammer kontert mit Entlastungspaketen

Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP konnte den Aussagen von Rendi-Wagner naturgemäß wenig abgewinnen. Er begegnete ihren Vorwürfe mit Zahlenbeispielen, etwa der ökosozialen Steuerreform, die Entlastungen im Wert von 18 Milliarden Euro bringe. Niedrige Einkommen habe man um 800 Euro entlastet. Zudem machte er deutlich, dass es keinen Importstopp für russisches Gas geben werde: "Sanktionen sollen nur gegen jene wirken, die sie verdienen, und nicht gegen einen selbst."

In einem daraus resultierenden Schlagabtausch warfen sich allen voran ÖVP und SPÖ vor, Unwahrheiten zu verbreiten. Vorwürfe kamen jedoch auch von den anderen beiden Oppositionsparteien. "Ahnungslos", "untätig", "weltfremd", "verantwortungslos" – so lautete der Tenor des Rundumschlags der Neos und der FPÖ, sowohl gegen die Regierung als auch gegen die SPÖ.

Der dringliche Antrag der SPÖ wurde mit breiter Mehrheit abgelehnt. Einzig die eigenen Abgeordneten schlossen sich der Initiative an. Ebenso fanden vier weitere oppositionelle Entschließungsanträge nicht die nötige Mehrheit.

Schweigeminute für Opfer von Butscha

Einzig zu Beginn der Sondersitzung herrschte Einigkeit im Parlament. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilte die Kriegsverbrechen in der Ukraine und rief zu einer Schweigeminute auf. Seit dem Wochenende sorgen Bilder aus dem Kiewer Vorort Butscha mit Leichen auf den Straßen für weltweites Entsetzen. Die Gesamtzahl der Toten ist unklar. Die Ukraine zählte im Gebiet rund um die Hauptstadt Kiew über 400 tote Zivilisten und macht dafür die vor kurzem abgezogenen russischen Truppen verantwortlich. (and, 5.4.2022)