Wolf D. Prix ist der österreichische Architekt von Weltgeltung. Der Gründer des Büros Coop Himmelb(l)au wird zu Recht in einem Atemzug mit Stars wie Zaha Hadid, Herzog & de Meuron oder David Chipperfield genannt. Wenn es aber um seinen Umgang mit Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine geht, versagt er.

Zwar verurteilt er diesen in einem aktuellen Spiegel-Interview, zugleich verteidigt der 79-jährige selbsternannte 68er aber seine 2018 mit Putin höchstpersönlich ausgedealten Großbauten in Russland: Ein Opernhaus soll in Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim entstehen, ein anderes in Sibirien. In St. Petersburg baut Prix die größte Eissporthalle der Welt. Von Anfang an gab es Kritik daran.

Der Architekt Wolf D. Prix ist der Gründer des Büros Coop Himmelb(l)au.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Zu Prix’ Argumenten zählt: Er baue nicht für Putin, sondern für die russische Bevölkerung; wenn er nicht baue, würde jemand anderer bauen; und seine offenen, transparenten Bauten seien keine Herrschaftsarchitektur, er selbst sei kein Albert Speer, der sich nach Wünschen von Diktatoren richte.

Letzteres mag stimmen. Es ist nur so, dass der autoritäre Herrscher des 21. Jahrhunderts gänzlich anders funktioniert: Er lehnt die Insignien des liberalen Westens nicht rundum ab, sondern verleibt sie sich à la carte ein, um sein Regime zu legitimieren. Er spricht nicht von Diktatur, sondern von "gelenkter Demokratie" (Putin) oder "illiberaler Demokratie" (Orbán). Der Schein der Offenheit soll gewahrt bleiben.

Großer Bluff

In einem Regime wie dem Putin’schen werden Prix’ Bauten zur Kulisse eines Theaterstücks, zu nützlichen Idioten eines großen Bluffs: Wo sie Modernität suggerieren, lebt das Volk in Wahrheit in politisch verantworteter Armut und technologischer Rückständigkeit; wo sie Liberalität und Offenheit vorspiegeln, herrschen Zensur und brutale Unterdrückung.

Jetzt die Pausetaste bei Projekten zu drücken, wie es Prix’ Kollegenschaft großteils tut, mag angesichts bereits begonnener Bauten schon fast egal sein. Versagt wurde davor: Während Prix und andere wagemutig neue Wachstumsmärkte in Russland, China und diversen Erdöldiktaturen erschlossen, wurden reihenweise Regimekritiker verfolgt und ermordet.

Kunst muss nicht immer moralischer sein als Politik oder Wirtschaft, aber wenn Prix im Spiegel sinngemäß meint, es rechne sich für sein Unternehmen nicht, ausschließlich in lupenreinen Demokratien zu bauen, folgt er einer Großkonzernlogik, die 68er wie er einst eigentlich bekämpfen wollten. (Stefan Weiss, 6.4.2022)