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Sieht die Sicherheit seiner Familie gefährdet: Kanzler Karl Nehammer.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Es war ein Auftritt, der angesichts der Weltereignisse seltsam wirkte. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) berief am Montagabend eilig eine Pressekonferenz ein und sprach über eine rote Linie, die nun überschritten worden sei. Der Grund: Die SPÖ brachte Anfragen ein, die sich dem Autounfall zweier betrunkener Personenschützer der Kanzlerfamilie vor einigen Wochen widmen.

Darin wird auch auf ein anonymes Schreiben einer Person Bezug genommen, die sich als Cobra-Beamter ausgibt. Der angebliche Insider erhebt Vorwürfe gegen die Familie Nehammer und behauptet, dass hinter dem Vorfall schwerere Vergehen stecken sollen als bisher bekannt. Aus Sicht des Kanzlers wird auf diesen knapp fünf Seiten nichts als die "Unwahrheit" behauptet und obendrein die Sicherheit seiner Familie "massiv gefährdet". Die Opposition sieht in dem Auftritt vor allem einen nervösen Regierungschef, der nichts zur Aufklärung beiträgt. Ein Überblick:

- Der Unfall. Noch ist unklar, wo sich die Cobra-Beamten an jenem Abend betrunken haben. Das Innenressort behauptet, dass die beiden Männer in ein Lokal gingen und eine Menge Alkohol konsumierten. Laut dem Schreiben soll sich die Geschichte anders zugetragen und Katharina Nehammer in Abwesenheit ihres Mannes die Beamten zu einem "Umtrunk" in die Wohnung der Familie eingeladen haben – womit sich die Frage auftut, wovor ein Personenschützer eine Person in der eigenen Wohnung zu schützen hätte. Beim Wegfahren mit dem Dienstwagen touchierten die Personenschützer mehrere parkende Autos.

- Dienstzeitverschiebung. Ein zentraler Vorwurf betrifft die Frage, wann sich der Vorfall ereignete. Laut Innenressort war es außerhalb der Dienstzeit der Sicherheitsbeamten. Die anonyme Quelle behauptet hingegen, dass der "Umtrunk" der Männer und Frau Nehammer während ihres Dienstes stattfand, das solle jedoch vertuscht werden. Nehammer bestreitet eine Intervention. Abhängig vom Zeitpunkt ist, ob der Umtrunk eine Dienstpflichtverletzung ist. Die beiden Männer sollen bereits versetzt worden sein.

- Im Einsatz der Familie. In dem Schreiben wird auch beklagt, dass die Personenschützer missbräuchlich für Familienangelegenheiten der Nehammers genützt worden sein sollen, etwa für die Betreuung der Kinder, wenn es einmal später wurde, oder um den Nachwuchs zu Freizeitaktivitäten zu chauffieren. Nachdem der Schutzauftrag im Falle Nehammers auch seine Familie betrifft, argumentiert man in der Cobra, dass es je nach Terminlage und Verfügbarkeit von Fahrzeugen auch vorkommen könne, dass Familienmitglieder im Wagen der Personenschützer mitfahren würden.

Der Kanzler kann den Personenschützern jedenfalls keine Weisungen erteilen, damit kommt der Tatbestand des Amtsmissbrauchs in dem Zusammenhang nicht infrage. Welchen Auftrag genau Personenschützer haben, ist gesetzlich nicht eindeutig definiert.

Heikles ausgespart

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner, der schließlich die fragliche Anfrage an Bundeskanzler Nehammer gerichtet hat, wehrt sich am Dienstag gegen die Vorwürfe, die Veröffentlichung sei unverantwortlich gewesen. Dass Nehammers Kinder in einen Klettergarten geführt, Kleider zur Reinigung gebracht worden sein sollen und Cobra-Beamte einen Paketdienst geleistet haben sollen, "ist, wenn man das veröffentlicht, nicht unbedingt ein Sicherheitsproblem", argumentiert Einwallner. Darüber hinaus sei lediglich der Vorgang des Unfalles thematisiert worden. Wobei in dem anonymen Schreiben einige Passagen ohnehin ausgelassen worden seien, erklärt der rote Abgeordnete.

Der anonyme Brief sei jedenfalls nicht die einzige Informationsquelle: "Ich hab noch weitere Gespräche mit Beamten geführt, die allesamt die Angaben im Brief bestätigen", sagt Einwallner im STANDARD-Gespräch. Sollte Nehammer, wie von ihm angekündigt, rechtliche Schritte einleiten, "dann wird es sicher interessant, denn dann läuft ein offizielles Ermittlungsverfahren."

Auch der anonyme Schreiber hielt fest, er überlege eine Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Anstiftung zum Amtsmissbrauch sowie der Unterdrückung von Beweismitteln. (Jan Michael Marchart, Walter Müller, Gabriele Scherndl, 5.4.2022)