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Jon Batiste bei den diesjährigen Grammys. Kein Moment, an den man sich erinnert.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Matt Winkel

Können Sie sich an irgendetwas von den Oscars 2014 erinnern? Können Sie sich besser erinnern, wenn ich Ihnen sage, dass es das Jahr mit dem berühmten Selfie war? Sie wissen schon. Das, auf dem sich alle um Ellen DeGeneres drängen? Andere, leichtere Frage: Können Sie sich erinnern, welcher Film bei den Oscars 2022 als bester ausgezeichnet wurde? Ja genau, den Oscars vor etwas mehr als einer Woche? Ich musste nachschauen. Aber an die Will-Smith-Watsche können Sie sich erinnern, oder?

Gut, werden Sie sagen, klar erinnert man sich an ungewöhnliche Momente eher, ist ja logisch. An den Kuss zwischen Madonna, Britney und Christina Aguilera denken wir auch heute noch, obwohl uns von den MTV Video Music Awards 2003 sonst wohl kaum etwas präsent ist. Obwohl soziale Medien wie Facebook damals noch nicht existierten, sorgten die klassischen Medien dafür, dass das Geschmuse ins popkulturelle Gedächtnis einging.

Trotzdem haben die Mechanismen sozialer Medien grundlegend verändert, wie Award-Shows heute konsumiert werden. Früher hat man sich Preisverleihungen in voller Länge im Fernsehen reingezogen. Klar hat man auf Aufreger gehofft, aber sie waren – ob inszeniert oder nicht – Nebenprodukte einer zusammenhängenden Show.

Bits and Pieces

Diese Shows waren Events für den Freundeskreis wie ein Kinobesuch. Es ging auch darum, das in voller, überzogener Länge zusammen durchzustehen – mit Popcorn und allem. Heute bekommt man diese Shows entweder fast zeitgleich oder am nächsten Tag in Form von Ausschnitten und Memes auf Twitter oder Instagram mit. Die Veranstaltung zerfällt so völlig in ihre Einzelteile. Ein bisschen so wie das Album, das von der Playlist, der Film, der von der Serie Konkurrenz bekam. Das Segment hat das größere Ganze besiegt.

Award-Show-Macher arbeiten dieser Entwicklung aktuell zu, indem sie möglichst viele "memeworthy" Momente in ihren Shows unterzubringen versuchen.

Das wird nicht genug sein, um die Show als solche zu retten. Denn sogar die Stars glänzen immer häufiger durch Abwesenheit. Man müsste die Shows entweder radikal umdenken, oder – und vielleicht wär das nicht das Schlimmste – abschaffen. (Amira Ben Saoud, 6.4.2022)