Die Politik gegenüber Russland sei "rückblickend vielleicht (...) naiv" gewesen, sagt Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).

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Brüssel/Wien/Kiew – Österreich will sich der von zahlreichen EU-Staaten verkündeten Ausweisung russischer Diplomaten weiter nicht anschließen. Österreich verfolge die Politik, "dass wir nicht in Bausch und Bogen ausweisen", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstagabend in der "ZiB 2" des ORF. "Ich finde es bedauerlich, dass hier jeder Staat einzeln agiert", so der Minister.

EU weist russische Vertreter aus

Nachdem Deutschland, Frankreich und Litauen bereits am Montag entsprechende Schritte gesetzt hatten, folgten am Dienstag Italien, Spanien, Dänemark, Schweden, Slowenien, Rumänien, Portugal, Estland und Lettland. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gab am Dienstag bekannt, dass 19 Mitarbeiter der russischen EU-Vertretung zu unerwünschten Personen erklärt werden. Besonders drastisch handelte Slowenien: Es setzte 33 der 41 russischen Botschaftsangehörigen in Ljubljana vor die Tür.

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Slowenien berief sich dabei auf Artikel 11 der Wiener Diplomatenrechtskonvention, die eine Herabsetzung der Diplomatenzahl auf jene der eigenen Diplomaten im Entsendestaat ermöglicht. Weil Slowenien nur acht Diplomaten in Moskau hat, müssen somit 33 der 41 russischen Botschaftsangehörigen Slowenien verlassen. Schallenberg sagte, er behalte sich vor, "nach Artikel 11 der Wiener Diplomatenkonvention vorzugehen". Allerdings sei dann zu erwarten, dass "Russland reziprok vorgeht", also die gleiche Anzahl österreichischer Diplomaten aus Moskau ausweist "und de facto die österreichische Botschaft die Tür schließen muss".

Ausweisung bei "starken Indizien"

Die zweite Möglichkeit ist, Diplomaten wegen Geheimdiensttätigkeit zur unerwünschten Person zu erklären. Wenn es "starke Indizien" dafür gebe, "werde ich entsprechende Schritte setzen", versicherte Schallenberg. "Ich behalte mir den Schritt vor, dass wir Diplomaten ausweisen", betonte der Minister, der die russische Botschaft in Wien scharf als "Propagandamaschinerie" kritisierte. Einen Staatsbesuch für Kreml-Chef Wladimir Putin sehe er nicht, bekräftigte Schallenberg seine bereits vor dem Massaker von Butscha getätigte Aussage, dass es mit Putin "keine Rückkehr zum Status quo ante" geben könne.

Die frühere europäische Politik gegenüber Putin sei "rückblickend vielleicht (...) naiv", aber "zum damaligen Zeitpunkt war diese Politik die richtige", sagte Schallenberg im ORF-Interview. "Wir haben ihn alle falsch eingeschätzt. Hätten wir ihn richtig eingeschätzt in der Europäischen Union, hätten wir ganz anders agiert." (APA, 6.4.2022)