Nüchtern sein ist so langweilig! Sofia Black-D'Elia tut sich als Sam schwer beim Entzug: "Single Female Drunk", auf Disney+ abrufbar.

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Sam ist wieder mal blau. Das kommt öfter vor, ständig eigentlich. Ihr Arbeitgeber hat genug: Du bist gefeuert. Sam ist das in dem Moment egal. Sie hängt an der Flasche und rastet aus.

Was folgt, ist Strafverschärfung: Der öffentliche Ausraster zwingt die 20-Jährige (Sofia Black-D'Elia) dazu, wieder zu ihrer dominanten Mutter Carol (Ally Sheedy) zu ziehen. Es warten: jede Menge Mutter-Tochter-Konflikte, nerviges Entzugsprogramm, eine toughe Betreuerin (Rebecca Henderson) und jede Menge verstörende Begegnungen. Was macht Sam als Erstes? Sie lässt sich wieder volllaufen.

Movie Coverage

Eine weitere durchzechte Partynacht ist vonnöten, bis klar wird, dass es so nicht mehr weitergeht. Jetzt könnte eine dieser eingedörrten Geschichten vom Entzug folgen, moralinsauer, pädagogisch wertvoll und vollkommen abturnend. Nicht so in "Single Drunk Female": Welche Tragikomik das Wegkommen vom Alkoholabusus für eine Jugendliche bereithält, zeigt die Serie, neu abrufbar auf Disney+.

Es ist ein nicht zuletzt durch Filme und Serien weitverbreiteter Irrtum, dass die Drogengefahr unter Jugendlichen hauptsächlich im Konsum von Partydrogen besteht, die in Discos säckeweise verteilt werden. Alkohol ist in der Altersgruppe zwischen zwölf und 20 Jahren die am häufigsten konsumierte Substanz. In den USA belegen Studien intensiven Alkoholkonsum unter Jugendlichen. Bei einer Umfrage gaben 29 Prozent an, in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken zu haben. 14 Prozent tranken laut eigenen Angaben Alkohol im Übermaß.

Nicht oberlehrerhaft und nicht verharmlosend

Heikel somit die Frage, wie man Alkoholsucht unter Jugendlichen abbildet, und zwar so, dass es nicht albern oberlehrerhaft und trotzdem nicht verharmlosend wirkt. Ein schmaler Grat, den "Single Female Drunk" mit Handkameraästhetik und sicherem Instinkt für die Alltagspeinlichkeiten zu beschreiten versucht und nichts schönredet.

Geschrieben hat die Serie Simone Finch, die biografische Erlebnisse verarbeitet und selbst offen über ihre Alkoholabhängigkeit spricht. Als sie vor zehn Jahren mit dem Drehbuch begonnen habe, sei sie betrunken gewesen, erzählt Finch vom mehrjährigen Schreibprozess: "Ich glaube, ich habe meinen Alkoholismus nicht akzeptiert, und das spiegelte sich in meinem Schreiben wider." Fertigstellen konnte sie das Skript erst, als sie trocken war.

Inspiriert von "Orange Is the New Black" und "Shameless"

Finch nennt als Inspirationen "Orange Is the New Black" und "Shameless", und unverkennbar hat "Single Female Drunk" damit mehr Ähnlichkeit als mit "Euphoria", der derzeit sehr angesagten Serie über Jugend und Rausch. "Ich vermisse es, Alkoholikerin zu sein", sagt Sam am neunten trockenen Tag in ihrem neuen Job als Einschlichterin im Supermarkt. "Es gab nicht so viele Pflichten." Und kriecht aus dem Regal, in das sie sich gerade für ein Schläfchen hineingezwängt hat. "Single Female Drunk" erzählt nicht zuletzt von erschöpften Gestrandeten, die gegen hereinbrechende Wellen ankämpfen – ein Gefühl, das viel mit der Zeit jetzt zu tun hat und das vermutlich nicht nur Jugendliche nachvollziehen können.(Doris Priesching, 6.4.2022)

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