Wie wichtig es ist, Anrainer und Anrainerinnen in die Erhaltung der Welterbestätten einzubeziehen, beschreiben die Archäologen Johann Rudorfer, Kerstin Kowarik und Hans Reschreiter im Gastblog.

Seit 1997, also seit 25 Jahren, wird die Hallstatt-Dachstein-Region als Unesco-Welterbe geführt. Sie war damals eine der Ersten, die in Österreich diesen Rang erhielten. Daraus geht klar hervor, wie wertgeschätzt das Gebiet rund um den Hallstätter See mit den Gemeinden Obertraun, Bad Goisern, Gosau und Hallstatt wird. Millionen Besucher aus dem In- und Ausland besuchen jährlich diese Region – sei es aus Liebe zu der hervorstechend schönen Landschaft, Interesse an teils jahrtausendealten Kulturgütern oder einfach aus Sympathie den Einheimischen, mit ihren noch immer gepflegten Bräuchen und Sitten, gegenüber.

Wie man an der Kartierung prähistorischer und römischer Fundorte sieht, kann die Welterberegion als archäologischer Hotspot bezeichnet werden. Die Fundstellendaten wurden im Rahmen des Hallimpact-Projekts erhoben.
Grafik: Kerstin Kowarik, Finanzierung ÖAW, Datenquellen: Land Oberösterreich, Image (c) 2022 Salzburg AG / Wenger Oehn, Geoimage Austria, Maxar Technologies, Datenverarbeitung: Julia Klammer, Grafik: Johann Rudorfer (NHM)

Wertschätzung von den Bewohnern

Doch schon seit langem beweisen auch die Einwohner des Salzkammerguts selbst ihre Wertschätzung gegenüber der Region. Stolz auf ihren Lebensraum, der auch oft mit Mühsal verbunden ist, entwickelten sie eine frühe Eigenständigkeit und konnten so selbst zur positiven Entwicklung der gesamten Region beitragen.

Als einer von diesen kann der in Hallstatt geborene Johann Georg Ramsauer bezeichnet werden, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Hallstätter Salzbergbau als Bergmeister, also Leiter des direkt der Hofkammer in Wien unterstehenden Betriebes, arbeitete. In dieser Funktion trug er zu der wirtschaftlichen Entwicklung des inneren Salzkammerguts bei. Daneben weckten antike Funde sein Interesse, die immer wieder am Salzberg, westlich und rund 300 Höhenmeter oberhalb des Ortskerns von Hallstatt gelegen, hervortraten.

In einer Zeit, als sich das wissenschaftliche Fach der Archäologie erst zu etablieren begann, wo vorrangig in antiken Orten des Mittelmeerraums nach den Hinterlassenschaften der bereits bekannten Hochkulturen gesucht wurde, begann er damit, Ausgrabungen im zentralen Mitteleuropa, auf einem der bedeutendsten urgeschichtlichen Friedhöfe, durchzuführen. Wo man andernorts meist gezielt auf Schätze aus war und oft die Zusammenhänge der aufgedeckten Gegenstände vernachlässigte, führte er seine Ausgrabungsarbeiten sehr systematisch durch. Akribisch ließ er das von ihm und seinen Arbeitern im Boden Angetroffene dokumentieren und trug damit zur fachlichen Entwicklung der Archäologie bei. Zudem strich er die Bedeutung des Fundorts hervor, die dazu führte, dass eine ganze Kulturepoche nach dem kleinen Ort Hallstatt benannt wurde.

Beispiel für die Dokumentation Ramsauers.
Foto: NHM

Erforschung des Salzkammerguts

Doch trotz alledem standen die Funde im Vordergrund, und wie das Salz aus dem Berg dem Kaiser gehörte, so gehörten ihm ebenso die am Berg ausgegrabenen Fundstücke. Da ohnehin das Salzkammergut zu einer der Lieblingsdestinationen der kaiserlichen Familie und in weiterer Folge des gesamten Adels und des Großbürgertums wurde, gewannen auch die antiken Ausgrabungsstätten an Beliebtheit.

Da verwundert es nicht, dass die Funde vorrangig in die 1889 beziehungsweise 1891 eröffneten k. u. k. Hofmuseen, das heutige Naturhistorische und Kunsthistorische Museum, nach Wien gelangten. Seit damals beschäftigen sich Wissenschafter und Wissenschafterinnen mit ihnen und versuchen die Kulturen, die hinter diesen materiellen Hinterlassenschaften stehen, zu verstehen und für alle greifbar zu machen. Seit damals also tragen Menschen aus anderen Regionen Österreichs, ja der ganzen Welt zur kulturellen Erforschung des Salzkammerguts bei.

Prähistorische Bergwerke

Dies geschieht aus Anerkennung für das bedeutende Material und die unglaublichen Leistungen, welche die Menschen dahinter vollbrachten. Denn so lag das Salz in prähistorischer Zeit nicht wie heute im Winter auf der Straße, sondern konnte nur durch ausgeklügelte Arbeitsmethoden und ein nachhaltiges Wirtschaften mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen als Grundlage für den wirtschaftlichen Reichtum der gesamten Region dienen. Das älteste Salzbergwerk der Welt zeigt, wie eine über Generationen andauernde Nachhaltigkeit funktioniert. Etwas, was in heutiger Zeit nicht genug wertgeschätzt werden kann.

Die perfekt erhaltenen Reste der prähistorischen Bergwerke liegen in über hundert Metern Tiefe im Salzberg "versteckt". Die Erforschung dieser einzigartigen Bergbauten erfolgt eingebettet in die Kooperation aus Naturhistorischem Museum Wien mit der Salinen Austria AG und den Salzwelten. Gemeinsam wird auch die Vermittlung dieses beinahe unsichtbaren Weltkulturerbes vorangetrieben. Sowohl die Funde als auch die Grabungsstollen können virtuell besucht werden.

Das virtuell aufbereitete Stollensystem in Hallstatt.
Foto: Daniel Brandner (NHM)
3D-Modell eines Bronzepickels, der zum Salzabbau diente.
Foto: NHM

Eine Wertschätzung der jahrtausendealten Geschichte, die sich bis in die Gegenwart erstreckt, denn die Siedlerinnen und Siedler dieser Landschaft hatten es nie einfach. Klima- und Umwelteinflüsse machen es den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Welterberegion bis heute schwer, sich hier zu behaupten. Auch diese Veränderungen werden als Teil der archäologischen Tätigkeiten des NHM erforscht. Kernbohrungen in Seen und Mooren tragen dazu bei, die Siedlungsgeschichte und -intensität rund um den Hallstätter See zu begreifen, und geben darüber hinaus Auskunft über die klimatischen Veränderungen seit der Eiszeit.

Bohrplattform am Grafenbergsee.
Foto: Daniel Brandner (NHM)

Seen als Archive

Seen stellen wichtige Archive dar und liefern eine Fülle an Informationen über vergangene Umweltbedingungen. Im Rahmen der umweltarchäologischen Forschungen wurde der Hallstätter See durch das Hipercorig-Projekt – in über 100 Metern Wassertiefe werden Sedimentbohrkerne von mindestens 40 Metern Länge entnommen – beprobt, und gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut fand im Rahmen der Groundcheck-Initiative die Beprobung des Grafenbergsees auf dem Dachsteinplateau statt.

Zwar lassen sich viele Gefahren mittlerweile langfristig vermeiden. Dazu gehört aber ein Verständnis für die Natur und Kultur ebenso wie für die Menschen. Das Bewahren von Naturraum soll sich ebenso wenig gegen die Menschen richten wie das Bewahren des kulturellen Erbes. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen eine lebenswerte Region vorfinden, denn ohne sie kann kein Welterbe bestehen bleiben.

Hipercoring-Projekt: Tiefbohrung in 120 Metern Wassertiefe.
Foto: Daniel Brandner (NHM)

Nichts verhindern, aber einbeziehen

So wollen auch wir Archäologinnen und Archäologen keine relevanten Bauvorhaben verhindern, aber dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was relevant ist. Nicht der kurzfristige Profit darf hier im Vordergrund stehen. Nirgendwo – und schon gar nicht in einem Gebiet mit einer derartigen Geschichte und einer (noch) reichhaltigen Natur. Sind Veränderungen daran unumgänglich, so können wir, frühzeitig in die Planung einbezogen, dafür sorgen, dass nichts im Boden ungesehen bleibt, bevor es unwiederbringlich verschwindet. So erweitern wir bewusst unser Tätigkeitsfeld vom Salzberg und aus den prähistorischen Stollen heraus ins Tal, um auch hier unsere Kenntnisse für die Bewohnerinnen und Bewohner einzusetzen.

Dies zeigt sich bereits in wichtigen Bauvorhaben, die in den letzten Jahren zur Sicherheit der Einwohnerinnen und Einwohner beigetragen haben. Hier konnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums dafür sorgen, Kulturgüter fachgerecht zu sichten, zu dokumentieren und zu bergen. Diese als "Baubegleitung" bezeichneten Maßnahmen führen dazu, dass wir neue wissenschaftliche Erkenntnisse erlangen, Bauarbeiten fristgerecht erledigt werden und somit die Bevölkerung langanhaltend vor Naturkatastrophen geschützt werden kann. Das NHM trägt so aktiv zu der Erhaltung des Welterbes bei und gliedert sich in die Reihe unterschiedlicher regionaler und überregionaler Institutionen ein.

Baubegleitung am Hallstätter Salzberg.
Foto: Johann Rudorfer (NHM)

Somit dienen wir nicht nur dem Kulturschutz, sondern ebenfalls der Lebensgrundlage der heutigen Bevölkerung. Denn diese liegt im Tourismus. Stolz wie eh und je sollen die Einwohnerinnen und Einwohner der Welterberegion Hallstatt-Dachstein auch zukünftig ihr Erbe all jenen präsentieren können, die diesen nachhaltigen Umgang damit wertschätzen, indem sie diese Gegend zur Erholungs-, aber auch zur Wissenserweiterung aufsuchen. (Johann Rudorfer, Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, 7.4.2022)