Gegen die niederösterreichische Volkspartei ist eine anonyme Anzeige eingegangen – die Partei soll über eine Umgehungskonstruktion öffentliche Gelder in die ÖVP-Kasse spülen. Die Volkspartei – am Foto Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner – dementiert.

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Während die Oppositionsparteien in Vorarlberg mit einem U-Ausschuss zur Causa Wirtschaftsbund noch abwarten, wird ein solcher von den Neos in Niederösterreich lautstark gefordert. Nach einer anonymen Anzeige beim Parteien-Transparenz-Senat gegen die ÖVP, Niederösterreich die im Februar eingegangen ist, wollen die Pinken im Landtag die Sache durchleuchten, ein Antrag für einen U-Ausschuss werde derzeit geprüft, hieß es am Mittwoch.

Allerdings: Der Parteien-Transparenz-Senat sieht "keinen Anlass für ein Tätigwerden", wie es in einem Dokument von Dienstagabend an die Volkspartei heißt. Begründung wird keine angeführt.

Die Neos wollen dennoch an ihrer Forderung festhalten, es gehe um die Causa an sich. Die Anzeige habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagt ein Sprecher dem STANDARD. Für einen Ausschuss braucht es die Unterschriften von 19 (von 56) Abgeordneten im Landtag. Die Neos haben drei Mandate, die SPÖ 14.

Worum es geht

Bei der anonymen Anzeige ging es um den Verlag Innova und den Verdacht einer Umgehungskonstruktion: Der Verlag ist Medieninhaber der von der niederösterreichischen Volkspartei herausgegebenen "Niederösterreich-Zeitung" und des Funktionärsmagazins der Partei. In der anonymen Anzeige wird demnach darauf hingewiesen, dass das Land Niederösterreich, aber auch landesnahe Unternehmen in den Publikationen großzügig inserieren würden. Bei saftigen Preisen: So kostet eine Seite in der "Niederösterreich-Zeitung" 10.000 Euro, wie es in einem Bericht von Ö1 zu der Causa heißt.

Gern gesehene Partner

In der anonymen Anzeige wurde aber auch die personelle Verbindung zur ÖVP thematisiert. Die ergibt sich über den Inhaber des Verlags, der kein Unbekannter ist: Gerhard Schlack betreibt gemeinsam mit dem ehemaligen ÖVP-Stadtrat Peter Madlberger nämlich auch die Agentur Media Contacta, die regelmäßig Kampagnen, aber auch Veranstaltungen – beispielsweise auch das "Familienfest" 2019 – für die ÖVP koordiniert. Madlberger betont stets, dass seine damalige politische Funktion mit einer heutigen Geschäftstätigkeit nichts zu tun habe.

Die Agentur war bei türkisen Ministerien allgemein ein gerngesehener Partner: Allein 2018 hatte die Media Contacta Aufträge über mindestens 510.000 Euro erhalten, wie aus parlamentarischen Anfragebeantwortungen hervorgeht. Aber auch in Niederösterreich selbst laufen die Geschäfte gut. Die Agentur ist für die Durchführung von sechs Events, die im Rahmen der "Landesstrategie Niederösterreich 2030" stattfinden, verantwortlich. Die Gesamtkosten für das Vorhaben liegen bei 1,7 Millionen Euro, 700.000 Euro davon sollen in die Events fließen, wie DER STANDARD berichtete. Eine Ausschreibung für diesen Auftrag gab es nicht, die Landesregierung griff auf einen schon länger bestehenden Rahmenvertrag zurück.

Verdacht der Umgehungskonstruktion

In der anonymen Anzeige wurde der Verdacht einer Umgehungskonstruktion erhoben: Im letzten von der ÖVP Niederösterreich veröffentlichten Rechenschaftsbericht werden für Sponsorings und Inserate null Euro angegeben. Möglich ist das über die Konstruktion mit dem Innova-Verlag als Medieninhaber der Publikationen. Es sei wenig glaubwürdig, dass die Partei als Herausgeber bei der inhaltlichen Gestaltung der Medien nichts mitzureden habe, heißt es laut Ö1 in der Anzeige. Es bestehe der Verdacht, dass tatsächlich die ÖVP Niederösterreich Medieninhaberin sei und Inserate an die beiden rechtswidrig nicht im Rechenschaftsbericht ausgewiesen wurden.

Bei der ÖVP Niederösterreich wehrt man sich gegen diesen Vorwurf. Es könne sich gar nicht um eine Umgehungskonstruktion handeln, weil der Vertrag dafür aus den 90ern stamme und damit doppelt so alt sei wie das entsprechende Parteiengesetz 2012.

Neos sehen ÖVP als "Umwidmungsexpertin"

Für die Neos ist die Sache klar: Das ÖVP-Parteimedium profitiere von "überteuerten Inseraten des Landes und von landesnahen Unternehmen, gleichzeitig weist der Rechenschaftsbericht das aber nicht aus", sagt Landessprecherin Indra Collini. Erhärte sich der Verdacht, dass auch die Landesregierung von diesen Praktiken profitiere, erweise sich die ÖVP "ein weiteres Mal als Umwidmungsexpertin – indem sie nämlich öffentliche Gelder in Parteigeld umwidmet". Die Rechtfertigung der ÖVP nennt Collini "abenteuerlich". "Nicht das Gesetz hat sich an die ÖVP-Praktiken anzupassen, sondern die ÖVP hat sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten."

Vorarlberg: Betriebsprüfung nicht abgeschlossen

In Vorarlberg stehen die Zeichen am Donnerstag einstweilen auf Abwarten: einerseits auf den Abschluss der Betriebsprüfung beim Wirtschaftsbund, der diese Woche noch erfolgen soll. Wegen eines Krankheitsfalls kam es zuletzt zu Verspätungen. Andererseits sind auch noch nicht alle Personalfragen nach den Rücktritten im Wirtschaftsbund geklärt – das sollte sich am Donnerstag ändern, dann findet eine entsprechende Sitzung statt. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hofft auf eine rasche Lösung bei der Suche nach einem neuen Obmann. In den letzten Tagen kursierte hier immer wieder der Name Marco Tittler, der in der Landesregierung für die ÖVP Wirtschaftslandesrat ist und zuvor viele Jahre in der Wirtschaftskammer Karriere machte.

In der Wirtschaftskammer wurde bereits ein interimistischer Nachfolger für Hans Peter Metzler, der nicht nur Obmann beim Wirtschaftsbund, sondern auch Präsident der Kammer war, gefunden: Wilfried Hopfner, Chef der Landesraiffeisenbank Vorarlberg, sei von Metzler gebeten worden und habe nicht lange überlegt. Der Banker war bisher einer von Metzlers Stellvertretern. Er habe in der Angelegenheit "kein Versagen" der Wirtschaftskammer festgestellt.

Warum (noch) kein U-Ausschuss kommt

Und Abwarten ist auch bei der Opposition das Motto – zumindest was einen U-Ausschuss betrifft. Dieser sei noch nicht vom Tisch, aktuell überwiegen bei SPÖ, Neos und FPÖ aber dem Vernehmen nach die Zweifel, ob die Einsetzung einer solchen Kommission sinnvoll sei. Die Landesverfassung schreibt nämlich vor: "Der Gegenstand der Untersuchung ist unter Anführung des behaupteten Missstandes in der Verwaltung des Landes genau zu bezeichnen." Da der Wirtschaftsbund aber Teil der ÖVP ist – und damit nicht in die Landesverwaltung fällt – und die Wirtschaftskammer und das Finanzamt für Großbetriebe, die in die Causa ebenfalls involviert sind, zwar zur Verwaltung gehören, jedoch nicht zu jener des Landes, könnte es schwierig werden, einen Untersuchungsgegenstand zu formulieren. Was man vermeiden wolle, sei ein zahnloser Ausschuss ohne konkrete Ergebnisse. Dennoch lässt man sich die Option offen.

Zunächst wollen die drei Parteien aber mehr Prüfrechte für den Rechnungshof – und planen die Sondersitzung des Landtags am 25. April. Hier werde es nur um das Thema Wirtschaftsbund gehen. Behandelt wird dabei auch die dringliche Anfrage an Landeshauptmann Wallner: "Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem ÖVP-Parteispendenskandal?" (Lara Hagen, 6.4.2022)