Finanzminister Magnus Brunner hält nichts von Sondersteuern auf überschießende Gewinne der Ölmultis.

Fotos: Robert Newald

Einer Senkung der Mineralölsteuer zeigt sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) nicht abgeneigt. Aufschnüren, wie von den Sozialpartnern gefordert, will er das vier Milliarden Euro schwere Entlastungspaket aber (noch) nicht.

STANDARD:Sie lehnen ein Gasembargo gegen Russland ab, sagen, damit würden wir uns mehr schaden als Russland. Wie kommen Sie darauf?

Brunner: Wir sind mit dieser Haltung nicht allein. Neben Deutschland sind zum Beispiel Ungarn, Portugal und die Niederlande eher zurückhaltend, was ein Gas-Embargo betrifft. Das schließe ich aus den Wortmeldungen beim dieswöchigen Ecofin in Luxemburg. Wir sind sehr abhängig vom Gas, insbesondere die Industrie. Wenn wir kein Gas mehr hätten, würden Industrie und Zulieferer sehr leiden, also auch die gesamte Wirtschaft.

STANDARD: Aber die Berechnungen, die es dazu gibt, sagen doch eher etwas anderes. Deutsche Ökonomen erwarten in einem Paper einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,5 bis drei Prozent bei einem Embargo. Die Industriellenvereinigung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Brunner: Wir sprechen natürlich auch mit den Wissenschaftern, und es sieht nicht jeder so. Vor allem bei diesen Sanktionen muss man schon immer mitdenken, ob wir auch in der Lage sind, sie durchzuhalten. Es wäre nichts schlimmer, als wenn wir ein Gasembargo verhängen würden – und wir kämen dann einige Woche später drauf, dass die Auswirkungen auf unsere Wirtschaft zu dramatisch sind. Man muss das bis zum Schluss durchdenken und sich auch strategisch überlegen, welche Auswirkungen das hätte. Und beim Gas ist es so: Ein Boykott würde uns sehr stark treffen. Bei den neuen Sanktionen gegen Kohleimporte ist es anders, das hat keine dramatischen Auswirkungen auf Österreich.

STANDARD: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirft Ökonomen vor, mit ihren Berechnungen ein Gasembargo zu verharmlosen. Haben Sie belastbarere Berechnungen?

Brunner: Also ich würde jetzt nicht so weit gehen wie Bundeskanzler Scholz. Aber eines muss man schon sehen: Unsere Wirtschaft ist noch abhängiger vom Gas als die deutsche. Deutschland hat ja auch Möglichkeiten. Sie könnten theoretisch Kohle wieder hochfahren, könnten Atomkraft hochfahren.

Fingerspitzengefühl erwartet Finanzminister Magnus Brunner von der EZB bei Zinsschritten zur Eindämmung der Teuerung.

STANDARD: Eng verbunden mit diesen Fragen sind die Probleme durch die hohe Inflation. Sie lag im März bereits bei fast sieben Prozent. Wie sehr sorgt Sie das?

Brunner: Sehr. Die Inflation ist viel zu hoch, überhaupt keine Frage – und inzwischen zu 70 Prozent getrieben von den Energiepreisen. Die Frage ist nun, was sich tun lässt. Die Kompetenz, gegen die Inflation vorzugehen, hat die Europäische Zentralbank. Die EZB hat jetzt die Anleihenkäufe zurückgefahren. Sie diskutiert jetzt über Zinserhöhungen, muss dabei aber mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Denn höhere Zinsen können negative Folgen haben. Eine könnte sein, dass das Wachstum, das wir Gott sei Dank noch haben, abgewürgt wird. Und: Höhere Zinsen könnten für höher verschuldete Staaten zu weiteren Problemen führen. Die Möglichkeiten der Euroländer, gegen die Inflation zu kämpfen, sind ja begrenzt. Was wir tun können, ist, die Wirkung abzufedern. Das haben wir in Österreich mit zwei großen Paketen getan. Tschechien beispielsweise entlastet die Bevölkerung gar nicht.

STANDARD: Den Sozialpartnern reicht das nicht. Sie haben weitere Forderungen. Werden Sie diesen nachkommen?

Brunner: Ich will eines klarstellen. Die von der Regierung beschlossenen Pakete zur Abfederung der Inflationsfolgen haben ein Volumen von vier Milliarden Euro, das ist ein Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Es gibt kein Land in der Europäischen Union, das ein so großes Paket vorgelegt hat. Wenn man bei vier Milliarden Euro von zu wenig spricht, dann ist das schon ein starkes Stück. Der Staat ist auch nicht dafür zuständig, alles auszugleichen. Wir haben viele Forderungen der Sozialpartner übernommen. Die Pendlerpauschale zu erhöhen war eine Forderung der Arbeiterkammer, die Energieabgabe zu senken war ein Wunsch von ÖGB, Wirtschafts- und Arbeiterkammer.

STANDARD: Die Sozialpartner fordern die Senkung der Mineralölsteuer. Wäre die Regierung dazu bereit?

Brunner: Es muss differenziert werden. Wir haben zielgerichtet Pendlerinnen und Pendler entlastet, also die, die auf das Auto angewiesen sind. Wir müssen die Situation weiter beobachten. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Sprit geht nach EU-Recht nicht. Eine Mineralölsteuersenkung wäre eine andere Maßnahme, bei Diesel wären acht Cent möglich, bei Benzin 15 Cent. Ich bin da persönlich gar nicht so abgeneigt, das noch zu tun. Das würde mit dem Koalitionspartner vielleicht nicht ganz einfach, aber man muss alles diskutieren. Die Preiskommission, die die Teuerung beobachtet, haben wir auch eingerichtet.

STANDARD: Haben Sie auf die Industrie vergessen? Energieintensive Unternehmen haben nicht viel von dem Paket, denn die zahlen ja kaum Energieabgaben. Da bringt die Senkung von Gas- und Stromabgabe nichts.

Brunner: Na ja. Es ist auch für die Industrie etwas bei den 900 Millionen an Entlastung bei Erdgas- und Elektrizitätsabgabe und der Aussetzung von Ökostromförderpauschale und -beitrag dabei. Das ist eine breite Entlastung. Haushalte sparen circa hundert Euro im Jahr, aber für Großverbraucher steigt die Entlastung mit dem Energieverbrauch. Das geht bei der energieintensiven Industrie in die Hunderttausende Euro. Außerdem gibt es noch den Transformationsfonds. Aber noch einmal: Wir werden die Situation weiterhin sehr genau beobachten.

Bei den geforderten Nachbesserungen betreffend das Entlastungspaket gibt sich Finanzminister Magnus Brunner zugeknöpft

STANDARD: Das klingt jetzt nicht so, als würden Sie in naher Zukunft Nachbesserungen planen.

Brunner: Momentan steht dieses Paket. Und noch einmal: Das sind vier Milliarden Euro. Mir kommt vor, die Relation, also das Gespür für die Dimensionen, ist ein bisschen verlorengegangen.

STANDARD: Inwiefern? Das Geld ist seit der Pandemie ja abgeschafft – Stichwort "Koste es, was es wolle"...

Brunner: Nein, das Geld ist nicht abgeschafft! Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

STANDARD: In der Pandemie hat der Staat mehr als 40 Milliarden Euro an Staatshilfen gewährt, zumeist an Unternehmen, oft wurde überfördert. Eine halbe Milliarde Euro wurde laut Rechnungshof allein bei Kurzarbeitshilfen zu viel ausbezahlt. Im Vergleich dazu wirken Sie jetzt knausrig.

Brunner: Diese zwei Krisen kann man nicht vergleichen. Die Pandemie geht bereits über zweieinhalb Jahre. Am Beginn ging es darum, mit den Wirtschaftshilfen Arbeitsplätze zu retten, Insolvenzen zu vermeiden. Das war eine andere Situation. Und diese 42 Milliarden, die Sie angesprochen haben: Ja, man kann diskutieren über Maßnahmen am Anfang, zum Beispiel über den Umsatzersatz, der vielleicht nicht die richtige Maßnahme war. Allerdings musste man schnell agieren.

STANDARD: Die Richtwertmieten, die vor allem im Altbau gelten, wurden jetzt um sechs Prozent erhöht. Warum setzten Sie das nicht aus, zumindest zur Hälfte? Das erhöht ja den Inflationsdruck weiter.

Brunner: Irgendwann kommt der Nachzieheffekt. Da muss man vorsichtig sein. Wenn ich es jetzt nicht mache, kommt es später umso höher. Deshalb hat der Bund eine Gebührenbremse, das könnte die Stadt Wien auch machen. Aber man kann über alles diskutieren. Ich glaube, in der derzeitigen Situation muss man das jeden Tag neu bewerten. Ich werde mich hüten, irgendetwas komplett auszuschließen in Zeiten wie diesen.

STANDARD: Die Energiewirtschaft profitiert von den hohen Preisen. Raffinerien und Tankstellenbetreiber erwirtschaften Rekordgewinne. Ist okay, so ist der Markt. Warum schöpfen Sie das nicht ab über eine Sondersteuer?

Brunner: Von Unternehmen, an denen die Republik direkt beteiligt ist, wie OMV oder Verbund, erhalten wie höhere Dividenden und geben genau das zurück an die Bürger. Eine Steuer wäre hier ein Markteingriff, auch da müssen wir vorsichtig sein.

STANDARD: Aber der Staat ist ja nicht an allen Unternehmen beteiligt, an Shell oder BP halten Sie keine Anteile. Hier Gewinne abzuschöpfen, etwa über eine Sondersteuer, wäre nur indirekt ein Markteingriff.

Brunner: Das ist ein anderes Thema. Über das haben wir noch nicht diskutiert. Ich halte allerdings prinzipiell nicht viel davon, Steuern zu erhöhen. Von Strafsteuern halte ich schon gar nichts. Tankstellenbetreiber sind oft klein mit zwei, drei Tankstellen. Unser Ziel ist, Steuern zu reduzieren. Ich sehe auch den Sinn dieser Maßnahme nicht ganz.

STANDARD: Sie könnten mit diesen Mehreinnahmen mehr entlasten.

Brunner: Aber das tun wir doch schon. Das Paket ist sehr intensiv – und wie gesagt: Das Geld ist nicht abgeschafft. (András Szigetvari, Luise Ungerboeck, 7.4.2022)