Am rechten Rand auf Stimmenfang: Marine Le Pen und Eric Zemmour

Foto: AFP / Eric Piermont

Gleich zwei Rechtspopulisten mit intakten Wahlchancen: Das gab es bei französischen Präsidentenwahlen noch nie. Umso heftiger befehden sich Marine Le Pen, Chefin des Rassemblement National (RN), und der Journalist Éric Zemmour. Sie ist eine 53-jährige Politveteranin, die schon 2017 erfolglos kandidiert hat; er ist ein 63-jähriger Newcomer, der mit dicken Bestsellern über den Niedergang Frankreichs Furore machte.

Und gelinde gesagt: Die zwei können nicht miteinander. Sie stibitzen einander die Ideen und machen sich gegenseitig Plagiatsvorwürfe. Wenn sie ein Wahlmeeting in Reims organisiert, organisiert er eines in Lille – zur gleichen Zeit. Während er ihr prominente Parteigänger abluchst, wirft er ihre "Schnüffler" aus seinen Twitter-Konten. Die Zeitung "Le Parisien" ortet "Industriespionage". Andere Medien sehen Le Pen und Zemmour in einem "tödlichen Tango" vereint.

Gemeinsames Feindbild

So tödlich ist dieser Tango allerdings gar nicht: Bisher haben Le Pen und Zemmour einander eher ergänzt. Gegenseitig verschaffen sie sich eine Dynamik, die zum Beispiel dem lager der Linken völlig fehlt. Inhaltlich unterscheidet sich das rechte Duo wenig. Beide haben ein Feindbild – muslimische Immigranten. Der Unterschied liegt in der Form: Zemmour reitet auf seinem Hauptthema herum und giftet gegen Ausländer; Le Pen meidet die Migrationsfrage bewusst und gibt sich konsensorientiert, um auch linke und konservative Wähler anzusprechen.

Beide sind oder waren zumindest ausgesprochene Putin-Versteher. Zemmour träumte öffentlich von einem "französischen Putin" und traf einen engen Vertrauten des russischen Präsidenten, den Oligarchen Wladimir Jakunin. Le Pen geißelte die Nato und akzeptierte gar einen Millionenkredit des Kreml. Heute werden beide sehr verlegen und einsilbig, wenn in TV-Debatten die Sprache auf Putin kommt.

So rechneten viele damit, dass die zwei Rechtskandidaten in den Umfragen einbrechen würden. Das ist aber nur Zemmour passiert: "Wladimir Zemmour", wie ihn Medien nennen, ist auf einen Wert von zehn Prozent zurückgefallen. Le Pen legte dagegen auf ungefähr 20 Prozent zu, womit sie den Einzug in die zweite Wahlrunde gegen Präsident Emmanuel Macron (30 Prozent) schaffen würde.

Gestiegene Preise

Mit Putin hat das allerdings nur am Rande zu tun. Die Opportunistin Le Pen hat erkannt, dass die wirtschaftlichen Folgen des Krieges für ärmere Franzosen – ihre Wählerschaft – am wichtigsten sind. Also plädiert sie für staatliche Eingriffe gegen die steigenden Preise bei Benzin- und Nahrungsmitteln. Der Ideologe Zemmour verbeißt sich hingegen in den Antiimmigrationsdiskurs, der die Massen momentan nicht mehr bewegt; und er zeigt den ukrainischen Flüchtlingen die kalte Schulter, was ebenfalls nicht gut ankommt.

Auch sonst verliert Zemmour laut vertieften Umfragestudien wichtige Wählergruppen. Frauen stieß er vor den Kopf, als er erklärte, es störe ihn nicht, wenn sich die Frau um den häuslichen Herd kümmere. Die jüdischen Wähler, die ihn als Juden zuerst begrüßt hatten, vergraulte er mit der unbewiesenen Behauptung, der Protagonist der Dreyfus-Affäre Anfang des 20. Jahrhunderts sei vielleicht nicht ganz unschuldig gewesen; und der Nazi-Kollaborateur Philippe Pétain habe im Zweiten Weltkrieg Juden gerettet.

Brigitte Bardot und die Tiere

Verdorben hat es sich Zemmour auch mit den Tierschützern. Dezidiert stellt er sich auf die Seite der Jäger und erklärte, die Leimrute zum Vogelfang, eine in Südfrankreich verbreitete Jagdart, sei "überhaupt nicht grausam". Damit klopfte er aber nur Brigitte Bardot aus dem Busch. Das nationale Sexsymbol der 1960er-Jahre, das einst der Gipsbüste der Landesfigur Marianne Modell gestanden war, wählte seit langem den rechtsextremen Front National, der mittlerweile in Rassemblement National umbenannt wurde. Voriges Jahr fühlte sie sich dann aber, wie so viele Franzosen, von Zemmours "Rettet Frankreich!"-Parolen angezogen. Umso wütender wirft ihm Bardot heute ein "kaltes Herz" gegenüber der Tierwelt vor.

Jetzt steht die 88-jährige "BB" wieder auf Marine Le Pen. Die zieht zu Hause sechs Bengalkatzen auf und zählt deren Namen gerne in Promi-Talkshows auf. Das mag nicht wahlentscheidend sein. Aber Bardots Stimme hat Le Pen wieder sicher. (Stefan Brändle aus Paris, 10.4.2022)