Die Höhenlage während der Schwangerschaft beeinflusst Neugeborene.
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In der Schwangerschaft gibt es allerhand zu beachten: Rauchen und Alkoholkonsum gelten als besonders schädlich, aber generell ist bei ganz unterschiedlichen Lebensmitteln Vorsicht angesagt. Während der Coronapandemie kamen nochmals besondere Herausforderungen auf werdende Eltern zu, immerhin bietet die Impfung einen gewissen Schutz vor der Viruserkrankung.

Aber auch Dinge, die man im Alltag weniger auf dem Schirm hat, beeinflussen das werdende Leben. Eine nun veröffentlichte umfangreiche Untersuchung, die über 36 Jahre in Österreich lief, demonstriert, dass zu diesen Faktoren auch die Höhenmeter des Wohnorts von Schwangeren zählen. In der Forschung bekannt war bereits der Zusammenhang: Je höher die geografische Lage, desto kleiner und leichter sind die Kinder bei der Geburt. Nicht erfasst wurde bislang aber, ob sich der Einfluss der Seehöhe auf das Wachstum des Fötus im Laufe der Jahre und Jahrzehnte – etwa durch bessere medizinische Versorgung – verändert hat.

In der Studie der Medizinischen Universität Wien, die mehr als zwei Millionen Schwangere und ihre Kinder untersuchte, stellten die Forschenden fest, dass diese Auswirkungen bei Termingeburten tatsächlich immer geringer geworden sind. Bei Frühgeburten ist dies aber nicht der Fall.

Empfindlich beim Wachstumsspurt

Als Ursache für den allgemein verminderten Einfluss der Seehöhe auf das Wachstum der Föten führen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter aber nicht nur die medizinische Betreuung, die immer besser werde, an. Auch das wachsende Bewusstsein für gesunde Verhaltensweisen wie Rauch- und Alkoholverzicht bei Schwangeren in Österreich dürfte einen Einfluss gehabt haben.

Dass der Seehöhen-Effekt bei Frühgeburten über die Jahre aber nicht schwächer geworden ist, könne medizinisch bisher nicht erklärt werden. "Wahrscheinlich liegt es daran, dass es speziell im letzten Schwangerschaftsdrittel zu einem besonderen Wachstumsspurt beim Fötus kommt und dieser dann empfindlicher auf Veränderungen reagiert", sagte Katrin Klebermaß-Schrehof von Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Med-Uni Wien. Darum würden sich die Auswirkungen der Seehöhe auf das Wachstum des Kindes vermehrt im späteren Schwangerschaftsverlauf zeigen.

Konstant bei Frühchen

Im Rahmen der Studie, die Klebermaß-Schrehof gemeinsam mit Thomas Waldhör (Zentrum für Public Health der MedUni Wien) und Lin Yang (Alberta Health Services) verfasste, wurden die Daten von 2.240.439 Schwangeren und ihrer Kinder untersucht, die zwischen 1984 bis 2019 in Höhenlagen zwischen 118 und 1.666 Meter in Österreich lebten. Neben verschiedenen Merkmalen der werdenden Mütter wurden Geburtsgewicht und Körpergröße jener Babys analysiert, die im Lauf der 36 Jahre als Termingeburten (Woche 38+) oder Frühgeburten (Woche 30 bis 37) zur Welt kamen.

Der negative Effekt von höheren Lagen auf das Geburtsgewicht fällt nach wie vor hoch aus: Pro 1000 Meter Höhe ist das Gewicht bei der Geburt um durchschnittlich 80 bis 100 Gramm niedriger. Der Wert nahm allerdings im Beobachtungszeitraum ab. Die Auswirkungen der Höhenlage bedeuteten in den Jahren 1984 bis 1986 noch ein Neugeborenengewicht, das um 2,66 Gramm pro Zentimeter Körpergröße niedriger war. Dieses Verhältnis hat sich verbessert auf minus 1,96 Gramm pro Zentimeter in den Jahren 2017 bis 2019. Bei Frühgeburten blieb der Seehöheneffekt jedoch über die Jahre konstant und liegt etwa bei minus 1,5 Gramm pro Zentimeter Körpergewicht je 1.000 Höhenmeter.

Luftdruck erklärt Effekt

In Hochgebirgsregionen Südamerikas oder Asiens mit Höhen um 3.000 Meter und darüber fällt der Seehöhen-Effekt mehr ins Gewicht und ist entsprechend länger erforscht. Im Jahr 2015 konnten Thomas Waldhör und Katrin Klebermaß-Schrehof in einer weiteren Arbeit zeigen, dass der Einfluss der Seehöhe auf das fetale Wachstum bereits in Höhenlagen unter 2.500 Metern und damit auch in höher gelegenen Gegenden Österreichs auftritt.

Medizinisch erklärt sich dieser Effekt durch die verminderte Sauerstoffsättigung – diese wiederum liegt am niedrigeren Luftdruck in höheren Lagen. Mit den fetalen Bedingungen der Höhenlage in Zusammenhang stehen nicht nur Geburtsgewicht und -größe der Säuglinge, sondern auch Auswirkungen auf die lebenslange Gesundheit. Vor allem das Herz-Kreislauf-System kann im Durchschnitt stärker beeinträchtigt sein. (red, APA, 7.4.2022)