Auf der Reeperbahn in Hamburg herrschte in den 1970er- und 1980er-Jahren ein regelrechter Krieg zwischen Zuhältern. Dieses Foto der leeren sündigen Meile stammt aus dem Lockdown im März 2020.

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Frankfurt/Wien – Die Vergangenheit hat ihn eingeholt. Selten passt diese Redewendung besser als im Fall von Josef Peter N. (71), der vor wenigen Tagen auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet wurde. Eine mehr als 20-jährige Flucht vor der deutschen Justiz ging damit zu Ende.

Der gebürtige Kärntner war früher ein Kiez-Capo auf der Hamburger Reeperbahn und dort als Wiener Peter berüchtigt. Weil er in Deutschland noch eine offene Haftstrafe wegen Mordes hat, wurde er kurz nach einer Zwischenlandung auf dem Weg von der Dominikanischen Republik nach Wien im Frankfurter Transitbereich festgenommen.

Im Jahr 2000 abgeschoben

Mehr als zehn Jahre der lebenslangen Haftstrafe hatte N. bereits in Deutschland abgesessen, bevor er im Jahr 2000 nach Österreich abgeschoben wurde – und hier der deutschen Justiz entschwand. Nach anderer Darstellung wurde er wegen eines Auslieferungsbegehrens nach Österreich ausgeliefert, die Gefängnisstrafe in Deutschland wurde quasi nur unterbrochen und bei Rückkehr wieder schlagend.

Der Rest der Strafe wurde jedenfalls nie erlassen, deshalb klickten jetzt die Handschellen. Er soll einigermaßen überrascht gewesen sein. Nach Angaben der deutschen Bundespolizei befindet er sich bereits in einer Justizanstalt.

Die Vorgeschichte führt in eine Zeit zurück, in der sich Rivalen der kriminellen Unterwelt mit Schlägertrupps und Mordanschlägen vor allem die Rotlichtbezirke aufteilten. In Hamburg genauso wie in Wien. Und wie zu Mafiazeiten im Chicago der 1930er-Jahre trugen die Protagonisten einprägsame Spitznamen wie Lackschuh-Dieter, Chinesen-Fritz oder schlicht Mucki.

Mitglied der Chikago-Bande

In den Archiven deutscher Zeitungen taucht der Wiener Peter unter anderem als Pate von St. Pauli auf und als Mitglied der als äußerst gefährlich eingestuften Chikago-Bande (benannt nach dem Lokal Chikago), die in den 1970er-Jahren in Hamburg mit einem Zuhälterring namens Nutella-Bande konkurrierte. Der Österreicher soll über Berlin nach Hamburg gekommen sein, Mitte der 1980er-Jahre war er eine Rotlichtgröße im Kiez. Als Chinesen-Fritz, einer seiner Teilhaber, in der Kneipe Zur Ritze (bis heute eines der bekanntesten St.-Pauli-Lokale) erschossen wurde, hegte die Polizei den Verdacht, dass Wiener Peter der Auftraggeber gewesen sei. Was sich aber nie beweisen ließ.

Vier Auftragsmorde nachgewiesen

Gerichtlich nachgewiesen wurden ihm vier andere Auftragsmorde, 1990 verdonnerte ihn das Landesgericht Hamburg zu einer lebenslangen Haftstrafe. Hätte er zehn Jahre später nach seiner Abschiebung nach Österreich den Rest gleich abgesessen, wäre er heute vermutlich ein freier Mann. Fotos in Medienberichten lassen darauf schließen, dass er zuletzt die Sonne des Mittelmeers und der Karibik genossen hat.

An Wiener Gürtelgalerie gescheitert

Ein Kriminalist im Ruhestand erinnert sich, dass Wiener Peter einmal versucht habe, in Wien Fuß zu fassen. Was ihm aber unsanft von der Gürtelgalerie, wie die Rotlichtbosse in der Bundeshauptstadt genannt wurden, ausgeredet worden sei. Verbindungen zwischen Hamburger Zuhältern und Wiener Strizzis gab es immer wieder. Ein gestohlener Mercedes mit Hamburger Kennzeichen führte beispielsweise in den späten 1970er-Jahren zur Verhaftung des Roten Heinzi, damals auch Gürtelkönig genannt. Die nachgewiesenen Delikte waren aber vergleichsweise harmlos: Erpressung, Hehlerei, Verstoß gegen das Waffengesetz.

Viel Prominenz bei Begräbnis

Bis zuletzt soll der Rote Heinzi mit Kollegen von früher regelmäßig zum Stoß-Spiel zusammengekommen sein, einem einfachen Kartenspiel mit – wie man hört – noch einfacheren Möglichkeiten zu betrügen. Beim illegalen Stoß in verrauchten Hinterzimmern sollen früher ganze Zinshäuser verspielt worden sein. Heinz Bachheimer alias der Rote Heinzi starb 2015 im Alter von 76 Jahren, zu seinem Begräbnis kamen auch viele prominente Trauergäste. (Michael Simoner, 7.4.2022)

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