Foto: Micromacro

Wie eine überdimensionale Selleriestange sieht der Riesen-Bärenklau auf den ersten Blick aus. Die Pflanze macht einen durchaus imposanten Eindruck, wenn sie an Straßenrändern bis zu drei Meter in die Höhe ragt. Doch zu spaßen ist mit dem Gewächs nicht: Wer mit der Pflanze in Berührung kommt, kann schwere Verbrennungen davontragen, die mit Flüssigkeit gefüllten Blasen auf der Haut können mehrere Wochen schmerzen.

Der Riesen-Bärenklau ist ein sogenannter Neophyt, eine Pflanzenart, die hierzulande nicht heimisch ist. Rund 1100 von ihnen gibt es in Österreich. Manche landen täglich auf unseren Tellern: Denn auch Erdäpfel, Tomaten und Mais gab es hier ursprünglich nicht.

Viele andere Neophyten sind jedoch ein Problem: Sie breiten sich oft unkontrolliert aus, verdrängen heimische Pflanzenarten oder sind – wie eben der Riesen-Bärenklau – sogar giftig. Andere wiederum wie die Ambrosia produzieren pro Pflanze bis zu eine Milliarde Pollen. Viele Allergikerinnen und Allergiker können von ihr wohl ein Lied singen.

Neophyten kosten Milliarden

Wie hoch der Schaden durch Neophyten ist, lässt sich nicht genau beziffern. Eine Studie aus dem Jahr 2009 schätzte ihn für die EU auf mindestens 12,5 Milliarden Euro jährlich. Die oft aus wärmeren Gefilden eingeschleppten Pflanzenarten profitieren außerdem vom Klimawandel und könnten sich in Zukunft noch stärker ausbreiten.

Das österreichische Start-up Micromacro möchte den Eindringlingen nun mit Technologie zu Leibe rücken. Das vierköpfige Team hinter dem Unternehmen hat dazu eine Software entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Neophyten automatisiert erkennen soll. Dazu wurde die Software mit Bildern der eingeschleppten Pflanzen trainiert, sodass der Algorithmus diese auch in der freien Wildbahn selbstständig ausmachen kann.

Eine Software soll nichtheimische Pflanzenarten automatisch erkennen – und so auch Pollenflug verhindern.
Foto: Micromacro

Früherkennung möglich

Problemzonen sind vor allem Straßen und Gleise, an dessen Rändern Neophyten oft ungehindert wuchern können. Der ursprünglich aus China kommende Götterbaum kann bis zu 30 Meter hoch werden und sechs Meter tiefe Wurzeln schlagen, die Fahrbahnen und Schienen beschädigen können.

In der ersten Phase konzentriert sich Micromacro daher vor allem auf Verkehrswege. Um die unerwünschten Gäste zu erkennen, fährt ein mit einer Kamera ausgestattetes Auto mit rund 100 Kilometern pro Stunde etwa eine Autobahn ab und sammelt dabei Bildmaterial von der Strecke. Der Algorithmus erkennt dabei zuerst drei Neophyten, die besonders viel Schaden anrichten: Götterbaum, Robinie und Knöterich. Die gesammelten Daten werden anschließend mit GPS-Koordinaten verknüpft, um die Pflanzen entfernen zu können. Das ist derzeit noch Handarbeit.

"Ein großer Vorteil unseres Systems ist dessen Fähigkeit, auch junge und damit kleine Pflanzen zu erkennen", sagt Mitgründer Matthias Brandstetter. Diese könnten auch ohne schweres Gerät und ohne Sperrung der Straße entfernt werden. Ein im vergangenen Jahr entwickelter Prototyp konnte laut dem Unternehmen über 95 Prozent der an einer Autobahn wachsenden Götterbäume korrekt identifizieren. Wenn größere Flächen ausgewertet werden sollen, so überfliegt Micromacro das Gebiet mit einer Drohne.

Weil die EU vorschreibt, dass Neophyten bekämpft werden müssen, erhofft sich Micromacro auch Aufträge von Gemeinden oder Landwirtinnen und Landwirten. Mittlerweile kommt die Software auf dem Straßennetz eines laut dem Unternehmen "namhaften Autobahnbetreibers" zum Einsatz.

Auf größeren Flächen kommen Drohnen zum Einsatz.
Foto: Micromacro

Wieder durchatmen

Auch für den Hochwasserschutz ist die Erkennung von Neophyten essenziell. An vielen Flussufern dominiert etwa bereits der Staudenknöterich. "Zwischen den Pflanzen wächst nichts anderes mehr", sagt Johannes Kröpfl, einer der Gründer von Micromacro. Weil die Pflanzen kaum wurzeln und im Winter absterben, ist der Boden weniger vor Erosion geschützt.

Auch Allergiker sollen in Zukunft wieder mehr durchatmen können. Die Belastung durch die eigentlich in den Tropen beheimatete Ambrosia hat in den letzten Jahren zugenommen. Wenn die Pflanze noch vor der Blüte erkannt wird, könne so vielen Menschen Leid erspart werden, sagt Micromacro-Geschäftsführer Peter Comhaire. (Philip Pramer, 9.4.2022)