Bei einem Hangrutsch 2013 in Tirol gingen bis zu 35.000 Kubikmetern Geröll und Erde ab.
Foto: APA/EXPA/ JÜREGEN FEICHTER

Immer wieder kommt es in Österreich zu Hangrutschungen – im vergangenen Sommer etwa infolge von Starkregen und Überschwemmungen. Besonders heftig war die Lage im Juni 2009, als es in der Südoststeiermark zu mindestens 3.000 Abgängen kam, die für enorme Schäden sorgten. Ein Forschungsteam der Universität Graz zeigt nun in einer Studie, dass derartig viele Hangrutschungen künftig häufiger vorkommen und eine größere Region betreffen können, wenn die globale Erwärmung mit ihren facettenreichen Folgen nicht stärker eingedämmt wird.

Im Jahr 2009 lag die durchschnittliche globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um etwa ein Grad Celsius höher. Das Ziel des Pariser Klimaabkommens ist es, die Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu beschränken – das würde also eine Erhöhung um 0,5 Grad im Vergleich zu 2009 bedeuten. Im Moment liegt die Erwärmung bereits bei etwa 1,2 Grad.

Bis zu 45 Prozent Anstieg betroffener Flächen

Um das Hangrutschrisiko für das österreichische Alpenland in der 1,5-Grad-Welt zu berechnen, nutzten die Forschenden eine entsprechende Simulation. Die ermittelten Werte verglichen sie mit weiteren Szenarien, die von einem Temperaturanstieg um 3,5 und 4,5 Grad verglichen mit der vorindustriellen Zeit ausgehen. Dies liegt im Rahmen des Wahrscheinlichen, wenn der Klimawandel nicht in den kommenden Jahren stark eingeschränkt wird.

Bei der schlimmsten Version – also plus 4,5 Grad – berechneten die Forschenden, dass Erdrutsche in einem um bis zu 45 Prozent größeren Areal als bei den Abgängen 2009 auftreten könnten, wie sie im Fachblatt "Nature Communications Earth and Environment" schreiben. Wird das Pariser Ziel konsequent eingehalten, dann würden sich die kritischen Gebiete flächenmäßig immer noch um zehn Prozent ausweiten.

Resilienz der Wälder

Wenn der Temperaturanstieg durch weniger Treibhausgasemissionen eingeschränkt werden kann und außerdem Aufforstungsmaßnahmen getroffen werden, wäre es möglich, das Risiko für Hangrutsche auf dem heutigen Niveau zu halten, sagt Erstautor Douglas Maraun vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz.

Hangrutsche – hier aus dem Jahr 2009 – werden Prognosen zufolge durch vermehrte Starkregenereignisse künftig häufiger vorkommen und größere Flächen betreffen.
Foto: Nikolaus Prozsinszky

Er empfiehlt, mehr Wälder zu pflanzen, die aus widerstandsfähigen Baumarten bestehen und dadurch dem Klimawandel gegenüber resilienter sind. Gerade in gefährdeten Bereichen sei es auch notwendig, bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen dafür zu verwenden, um größere Schäden verhindern zu können. Als Kurator der Ausstellung "Boden in Bewegung. Hangrutschungen im Klimawandel", die noch bis zum 17. Juli 2022 im Naturkundemuseum Joanneum in Graz besucht werden kann, vermittelt Maraun auch dort die Ergebnisse seiner Studie.

Schutzbauten und Raumplanung

Die genauen Zusammenhänge zwischen Niederschlag, der Feuchtigkeit des Bodens und Veränderungen in der Landnutzung sind bislang im Kontext der Abschwächung des Klimawandels noch zu wenig erforscht, schreibt das internationale Forschungsteam. Es gibt aber auch die eine oder andere gute Nachricht, wie eine Studie aus dem vergangenen Jahr verdeutlicht, zumindest, was Murenabgänge angeht: Im Zeitraum von 1961 bis 2017 konnten die von Murenabgängen verursachten Schäden in Österreich relativ konstant gehalten werden.

Dies ist auf den massiven Ausbau von Schutzbauten zurückzuführen, berichtete damals das Forschungsteam der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg). Auch hier wurde allerdings betont, dass gefährdete Bereiche nicht stärker besiedelt werden dürften und der Ausstoß an Treibhausgasen stark zurückgehen müsse. Zudem sei es möglich, dass Erdrutsche künftig immer früher im Jahr ein Thema werden – was aber freilich auch auf die Wetterlagen ankommt. (sic, 7.4.2022)