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He Jiankui im Herbst 2018. Nach gut zwei Jahren Haft ist er seit kurzem wieder ein freier Mann. Wird er zurück in die Forschung gehen?

AP Photo / Mark Schiefelbein

Es war im November 2018 am Vorabend einer Konferenz zum Thema Genome-Editing, als die Bombe platzte. Der chinesische Biophysiker He Jiankui verblüffte nicht nur Fachleute, sondern die ganze Welt mit der Behauptung, er habe das Erbgut von IVF-Embryonen verändert und sie in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt, die gentechnisch veränderte Zwillingsmädchen namens Lulu und Nana geboren habe. Ein drittes Kind, dem diese Behandlung ebenfalls zuteilgeworden war, wurde im folgenden Jahr geboren.

Konkret hatte der heute 38-Jährige mit seinem Team von der Southern University of Science and Technology in Shenzhen mit dem gentechnischen Werkzeug CRISPR die DNA der Mädchen so verändert, dass sie gegen eine Infektion mit HIV besser geschützt sein sollten. Das Experiment stieß sofort auf heftige Kritik in der ganzen Welt, inklusive China. Forscherinnen und Forscher waren sich einig, dass die vorgenommene Genom-Editierung medizinisch wenig sinnvoll sei und Fehler in das Erbgut der Mädchen eingeschleust haben könnte.

Verurteilung und Entlassung

Nach der internationalen Verurteilung des Experiments wurde He Jiankui unter Hausarrest gestellt, von seiner Uni entlassen und anschließend inhaftiert. Im Dezember 2019 verurteilte ihn ein chinesisches Gericht: Der Forscher habe, wie es in der Urteilsbegründung hieß, vorsätzlich gegen medizinische Vorschriften verstoßen und "die Gen-Editierungstechnologie vorschnell auf die assistierte Reproduktionsmedizin beim Menschen angewandt".

Der Biophysiker, der eine Frau und Kinder hat, habe einen hohen Preis gezahlt, sagt der Anthropologe Eben Kirksey (Alfred Deakin Institute in Australien) im Gespräch mit der Zeitschrift "MIT Technology Review", die Ende 2018 als erstes Medium über den Skandal berichtete. Kirksey, der Autor des Buchs "The Mutant Project", verweist aber auch darauf, dass die möglichen Anwendungen von CRISPR beim Menschen weit zurückgeworfen wurden.

Unterstützer blieben straflos

Dieser Tage wurde He Jiankui nach gut zwei Jahren im Gefängnis entlassen. Seit seiner Enthaftung steht er angeblich wieder in Kontakt mit Mitgliedern seines wissenschaftlichen Netzwerks in China und im Ausland. Ob He, der in Stanford und an der Rice University ausgebildet wurde, wieder in die Forschung zurückkehren will, ist unklar. Von Menschen, die ihn kennen, wurde er als idealistisch, naiv und ehrgeizig beschrieben.

Während die Verantwortung für das Experiment bei He und anderen chinesischen Teammitgliedern lag, wussten viele andere Wissenschafter von dem Projekt und unterstützten es, wie "Technology Review" berichtet. Dazu gehören Michael Deem, ein ehemaliger Professor an der Rice University, der an dem Experiment beteiligt war, und John Zhang, Leiter einer großen IVF-Klinik in New York, der Pläne zur Vermarktung der Technologie hatte. Deem und Zhang wurden für ihre Beteiligung am Experiment nie zur Verantwortung gezogen, wie auch Eben Kirksey kritisiert.

Die Frage der drei Kinder

Offene Fragen betreffen freilich auch die drei Kinder, die als Ergebnis des Experiments geboren wurden und deren Identität nicht öffentlich bekannt ist. Ihre Eltern hatten dem Experiment zugestimmt, weil die beiden Väter der drei Kinder HIV-positiv sind und nach den chinesischen Vorschriften eigentlich keinen Zugang zu IVF gehabt hätten.

Ende Februar forderten zwei hochrangige chinesische Bioethiker laut einem Bericht im Fachblatt "Nature" die chinesische Regierung auf, ein Forschungsprogramm zur Überwachung der Gesundheit der CRISPR-Kinder einzurichten. Sie stuften die Kinder als eine "gefährdete Gruppe" ein und forderten genetische Analysen, um festzustellen, ob ihre DNA genetische Fehler enthält, die sie an künftige Generationen weitergeben könnten. (tasch, 8.4.2022)