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Blaise Compaoré befindet sich im Exil in der Elfenbeinküste.

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Anhänger von Thomas Sankara an der Stelle in Ouagadougou, wo er vor rund 35 Jahren erschossen wurde.

Foto: AP/Sophie Garcia

Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam, und manchmal laufen sie dabei sogar ins Leere. 35 Jahre nach der Ermordung des afrikanischen Mythos Thomas Sankara wurde jetzt dessen einstiger Freund Blaise Compaoré in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, wegen Beihilfe zum Mord zu lebenslanger Haft verurteilt. Weil der spätere Präsident Burkina Fasos mittlerweile jedoch im Asyl in der benachbarten Elfenbeinküste lebt und diese seine Auslieferung verweigert, wird der Verurteilte auch künftig unbestraft bleiben.

Nach einem halbjährigen Prozess vor einem Militärtribunal wurde der inzwischen 71-jährige Compaoré eines Angriffs auf die Staatssicherheit, der Komplizenschaft bei der Erschießung Sankaras und des Raubs seines Leichnams für schuldig befunden – ein Urteil, auf das Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner jahrzehntelang gewartet hatten.

Ohne Personenschutz unterwegs

Sankara, der bei seiner Ermordung gerade einmal 37 Jahre alt war, wird noch heute als "Afrikas Che Guevara" verehrt. Der Kampfpilot der burkinischen Luftwaffe war nach seinem im Jahr 1983 gemeinsam mit Compaoré durchgeführten Putsch gegen die endemische Korruption in seiner Heimat vorgegangen, hatte die Mercedes-Flotte seines Vorgängers verkauft, die Gehälter der Minister einschließlich seines eigenen empfindlich gekürzt und Flüge der Staatsbeamten in der Business-Class verboten. Er schaltete die Klimaanlagen im Präsidentenbüro aus, fuhr entweder im Renault 4 oder mit dem Fahrrad durch Ouagadougou – und pflegte ohne Personenschutz durch die Straßen der Hauptstadt zu joggen.

Sein sozialistisches Programm der Landreform, der Verstaatlichung von Unternehmen und der Sozialfürsorge in einem der ärmsten Länder der Welt sorgte allerdings für Stirnrunzeln bei den Vertretern der einstigen Kolonialmacht Frankreich und der USA, die sich während des Kalten Krieges in Afrika mit der Sowjetunion um Einfluss stritten.

Verdacht gegen Geheimdienste

Dass Burkina Faso unter Sankara riesige Fortschritte im Gesundheits- und Erziehungswesen machte, konnte den vier Jahre lang regierenden Präsidenten nicht vor der Anfeindung durch westliche Staaten schützen: Viele gehen davon aus, dass deren Geheimdienste hinter Compaoré und dessen Putsch gegen seinen Ex-Freund standen. Dieses Thema wurde beim Prozess in Ouagadougou ausgespart, soll jedoch von einer Kommission noch aufgearbeitet werden.

Neben Compaoré waren elf weitere Personen angeklagt, vor allem dessen ehemaliger Sicherheitschef Hyacinthe Kafando und Ex-Streitkräftechef Gilbert Diendéré. Kafando soll das Kommando angeführt haben, das Sankara in der Nähe seines Büros auf offener Straße mit sieben Schüssen in die Brust tötete. Als Compaoré 2014 nach seiner 27-jährigen Herrschaft durch Volksaufstände außer Landes gejagt wurde, tauchte Kafando ab. Auch er wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.

Dagegen nahm Ex-General Diendéré an der Verhandlung teil. Er war bereits 2015 nach einem Putschversuch verhaftet und zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch er bekam jetzt lebenslänglich. Drei der zwölf Angeklagten wurden dagegen freigesprochen – darunter ein Arzt, dem der Vorwurf, einen falschen Totenschein ausgestellt zu haben, nicht nachgewiesen werden konnte.

Jubel im Gerichtssaal

Bei der Verlesung des Urteils kam es im Gerichtssaal in Ouagadougou zu Jubelszenen. "Wenigstens wissen jetzt alle, wofür mein Ehemann stand und wie er umgebracht wurde", sagte Sankaras Witwe Mariam. "Auch wenn es natürlich besser wäre, wenn die Schuldigen ihrer Strafe zugeführt würden." Compaorés französischer Verteidiger Pierre-Olivier Sur rechtfertigte das Fernbleiben seines Mandanten mit der Bemerkung, es habe sich um einen "chaotischen Marionettenprozess" gehandelt. Das Verfahren wurde im Februar vorübergehend ausgesetzt, nachdem es in Ouagadougou zu einem erneuten Putsch gekommen war.

Sankaras Familie kündigte jetzt an, den Leichnam des "afrikanischen Che Guevara" festlich zu bestatten. Ihn hatten Häftlinge wenige Stunden nach seiner Ermordung in einem Armengrab verscharrt. "Dies ist kein Augenblick der Genugtuung", sagte der Bruder des Ermordeten, Paul Sankara. "Aber zumindest können wir jetzt trauern." (Johannes Dieterich, 8.4.2022)